Von Nora Dubach für #kkl2 „Freiheit“
Vor vier Wochen erhielt ich von der Uni Hannover, bei der ich Probandin im Psychologischen Institut bin, eine neue Studienanfrage zum Thema : Umgang mit Fremden. Ich meldete mich sogleich an, da mir dieses Thema gefiel.
Zwei Wochen später stand ich vor der Türe vor dem sogenannten „Labor“ Die junge Studienleiterin, begrüsste mich herzlich, danach betraten wir den Raum. Ich setzte mich auf den Stuhl, vor mir stand ein Tisch auf dem ein Formular und ein Bleistift lagen. Zunächst wurde ich mit Elektroden verkabelt, ähnlich einem EKG. Es sollte aufzeigen wie aufgeregt ich bin während ich auf fremde Menschen treffe. Ich war nicht nervös, warum auch. Ich war neugierig darauf welche Person gleich das Zimmer betrat. Gespannt schaute ich zur Türe die sich langsam öffnete. Eine ältere, abweisende Person mit kurzem grauen Haarschnitt begrüsste mich. Distanziert nahm sie auf dem Stuhl neben mir Platz. Gemeinsam schauten wir auf einem Monitor einen Naturfilm an, mit wunderschönen Bildern. Danach stellte die Studienleiterin den Apparat ab. Jetzt sollte ein lebhaftes Gespräch stattfinden. Meine Nachbarin blieb verschlossen wie eine Muschel. Sie würdigte mich keines Blickes. Deshalb stellte ich ihr banale Fragen, über mich zu sprechen fand ich anmassend. Also gab ich mir einen Ruck und begann: „Finden Sie nicht auch wie schön diese Fotos sind, die Natur gibt einem so viel Energie und Freude, all die herrlichen Farben, die verschiedenen Düfte.“ Sie erwiderte meine Aussage nur knapp. Nie schaute sie zu mir herüber, drehte ihren Kopf immer wieder zur Seite. Gar nicht so einfach mit einer fremden Person in Kontakt zu treten, die einen total übergeht dachte ich etwas konsterniert. Normalerweise fiel es mir nicht schwer Kontakte zu knüpfen. Ich erhob keinen Zweifel darüber dass es mit meiner Person zu tun hatte. Deswegen schwieg sie. Viele Menschen sind sich am Anfang des Kennenlernens reserviert. Was empfindet ein Mensch mit dunkler Hautfarbe oder aus einem anderen Kulturkreis bei einer solchen Missachtung. Manchmal ertappte ich mich wie ich im Zug verstohlen zu den Dunkelhäutigen oder zu Personen abschätzig schielte. Zum Schluss gaben wir uns positive Zeichen. Wegen meines Dialekts hatte ich noch nie Probleme. Wichtig war ja, dass ich Deutsch verstand.
Mit den Nachbarn und dem Freundeskreis kam ich mit Englisch und Deutschgut zurecht. Wenn es nicht klappte, versuchte ich es mit Händen und Füssen. Meine Freunde kamen aus Frankreich, England, Schweden, Holland und Thailand. Wir pflegten ein herzliches Verhältnis und feierten viel Feste miteinander.
Wie sollte ich vorgehen. Eine Strategie konnte ich mir in der kurzen Zeit nicht zurecht legen. Mit humorvollen Geschichten konnte ich bei ihr nicht landen, am Anfang auf intellektuell machen war auch nicht keine gute Idee. Von ihr kam nichts. So erzählte ich ihr dass ich Künstlerin sei. Sie antwortete nur : “Ach so, und was machen Sie.“ Ich schreibe Gedichte und Geschichten im Dialekt , ich male und gestalte Objekte.“ Es schien sie nicht zu interessieren. Wie lange leben sie in Hannover?“ fragte sie in spitzen Ton Ich antwortete : “ Schon sehr lange, etwa sieben Jahre,“ Inzwischen bereute ich bei dieser Studie mitgemacht zu haben. Meine Nachbarin fragte mich: “ Wenn Sie schon so lange hier wohnen warum bemühen sie sich nicht reines Deutsch zu reden, man versteht sie ja nicht.“ Das machte mich angriffig. Wütend dachte ich, was geht es dich an wie ich mich sprachlich ausdrücke, du graue langweilige Maus. Ich nehme mir die Freiheit so zu reden das man mich versteht. Etwas gereizt antwortete ich: „Durch meine Lesungen bevorzuge auch mal den Dialekt. Frau Hauser kritisierte mich weiter,“ Finden Sie das nicht unsensibel der Uni und Hannover gegenüber sich sprachlich abzugrenzen,“ Innerlich kochte ich vor Wut, liess es mir gefühlsmässig nicht anmerken. Mein Herz schlug immer noch langsam, der Puls ruhig. Schade um die verlorene Zeit ich hier gerade mit dieser dummen Gans verbringen musste, schoss es mir durch meinen Kopf. Ich hatte keinerlei Bedürfnis diese unsympathische Frau auch noch zu kritisieren. Wegen meines Dialekts hatte ich noch nie Probleme, Dieses Geplänkel zog sich noch eine Weile hin. Ich fühlte mich eingekesselt , meiner Freiheit beraubt. Dann endlich, wurden die Elektroden entfernt, ich durfte das Formular wegen meiner momentanen Befindlichkeit ausfüllen, ich musste meine Gefühle auf einer Skala
zwischen 1- 6 dokumentieren. Auf keinen Fall liess ich mich zurückstufen. So viel Selbstbewusstsein konnte ich noch aufbringen. Enttäuscht legte ich das ausgefüllte Blatt zur Seite. Meine reservierte Gesprächspartnerin erhob sich stumm, verliess vor mir sprachlos den Raum ohne sich zu verabschieden. Es wunderte mich nicht nach ihrem Verhalten.
Ich war erleichtert und freute mich den Raum verlassen zu dürfen, sehnte mich nach gewohnter Freiheit und viel frischer Luft. Als ich den Gang betrat kam meine grimmige Nachbarin, sie hiess Frau Hauser, lachend auf mich zu und sagte zu mir: “ Sorry das ich so abweisend war, es gehörte zu meiner Aufgabe eklig zu sein, sie zu provozieren, sie haben sich gut geschlagen. Ich bin von Beruf Schauspielerin.“ Entspannt sprachen wir über Dieses und Jenes. Im Laufe des Gesprächs kamen wir uns näher, tauschten uns aus.
Ich besuchte Frau Hauser und ihre Theateraufführungen. Sie war Mitglied von diversen freien Kleintheatergruppen. Sie arbeitete zudem an einem Impro-Theaterprojekt. Es ging um Migration. Sie berücksichtigte bewusst ausländische Laienschauspieler da diese direkt betroffen waren, die aktuellen, auf der Zunge brennenden Themen näher bringen konnten. Freiheit zu geniessen ist das höchste Gut
Nora Dubach
Leonore Dubach in Deutschland geboren ,
Besuch der Werkkunstschule Kurse und Seminare in Kunst und Literatur in der Uni
Künstlerin Malerin Objekte Autorin Mitarbeit in einer Galerie
Seit 2003 5 Bücher Lyrik und Kurzgeschichten
Mitglied Femskript, Forum Schaffhauser Autoren, Pro Lyrica
In Anthologien von den Verbänden, Lesungen in Zürich Schaffhausen Biel Basel Baden- Baden Offenburg Lesung auf dem Rhein 3x Beteiligung >Zürich liest < In vielen Literaturmagazinen, Vorleserunde in der Bibliothek und im Kino und im Museum 2 Hörbücher
Oh dass freut mich sehr dabei zu sein herzlichen Gruss
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