Franz Friedrich Kovacs für #kkl6 „Zeitenwende“
Übergänge
Hungrige Hunde knurren kriechenden Blechzellen gierig hinterher. Punker in Kampfanzügen stampfen zielstrebig durch das Gewirr einer Massenkarambolage. Die ersten Scheiterhaufen explodieren. Angstvoll flüchten Überlebende in angrenzende Wälder. Wenn im Morgengrauen eine Schattengestalt am Rande der Autobahn hinter sich blickt, zerbrechen Wecksirenen induzierte Halluzinationen.
Die abgeschlossene katholische Kirche stöhnt im REM-Schlaf. Nur ihr Altar sendet noch immer schwache Signale. Scheinpolitiker strahlen von morschen Holzwänden, machen obszöne Versprechungen. Lautstark flucht sein ständiger Begleiter Wohlstandspflichten hinterher. In einem Hinterhof verschwindet die Königin der Nacht. Ein feuerspuckender Geldeintreiber bringt den scheintoten Straßensänger ins städtische Pfandleihhaus. Ein Stadtstreicher uriniert in einen stehenden Luxusaufzug; danach zerspringt er in tausende Kristalle. Ein schon lange bekehrter Exhibitionist versetzt neuerdings städtische Parksünder in Angst und Schrecken. Der tobende Säufer vom Bahnhofsvorplatz wird erhört, dann erlöst. Bleierne Zeit in gutausgestatteten Zellen. Stampfende Rhythmen zwischen Berufskarrieren. Das Chaos seines Lebenswerks taucht in Bewusstsein suchenden Automatenheeren unter. Dazwischen immer wieder wahrnehmbar – schwache Herzschläge.
Trümmerfragmente aus Freiheitsgedanken grinst der abendliche Bildschirm in den heimischen Wohnbeton. Werbefernsehsender füttern an. Letzte kriechende Autoschlangen senden nur noch vereinzelt Überlebenssignale. Durchsichtige Attrappen auf Treppen und Balkonen. Das Einstellen der wiederverwertbaren Zeitbombe vor dem Verdunklungszwang. Einige Herzschläge später ist er raus.
Franz Friedrich Kovacs, 1949, Sankt Julian, häufige Veröffentlichungen (auch Bücher)….Lyrik, Prosa, Aphorismen….