Bruno NOVAK für #kkl8 „Das Wesentliche“
Berlin I
Das Silbergras wächst bis zur Spree.
Dann haben wir freie Sicht auf die Havel.
Der schnurgerade Treidelpfad war jetzt
nicht mehr geteert.
Nachmittags einstündiger Spaziergang von der
Wuhl- zur Königsheide. Der ehemalige Funktionär
hält auf der vermoderten Parkbank seine
Brandrede. Dann verkauft er pastellfarben lackierte
Laubsägearbeiten.
Lorna konnte für Anfang September vier Plätze
im „ Nobelhart & Schmutzig“ reservieren. Das wäre
nun auch geklärt.
Den Kindern schenkt er klebrige Colalutscher. Ich
mag heute keine Süßigkeiten.
Road to Cairo
Mitternacht ist lange vorbei, in einem Kartoffelsack
schleppt der hinkende Landvermesser die gefesselte Hexe
zum Wormser Autohaus Tallafuss.
Auf dem Parkplatz vor der Gesamtschule steht
mit offenen Fenstern und Türen der VW-Transporter
der Firma “ Benno und Balduin Biganski – Heizung
Sanitär und Bäder“. Die Arbeiter sitzen auf Klappstühlen
im Schatten und löffeln entspannt ihre nahrhafte Mahlzeit
aus dem Esskännchen. Schewes bohrt gerade unverschämt
in der Nase und hat eine Zahnlücke.
“ Es war ein Hamsterkauf“, sagt stolz der Landvermesser
und betrachtet sie andächtig. Wie ausgebufft sie posiert
im fantastisch kurzen Seidenkleid! Ihre thigh gap ist
hinreißend. Aber es zieht auf der Brücke.
Schewes spielt wieder auf der Mundharmonika. Ganz zart.
“ Stones in my Passway“. “ Road to Cairo“.
Schließlich “ Kindhearted Woman Blues“.
Lottoschein für Jens Keller
Ich war mit der “ QUEEN OF TABEL WATERS“ unterwegs,
um den Lottoschein für Jens abzugeben. Vor der
städtischen Bedürfnisanstalt verlor ich Döskopp
sie aus den Augen.
Am Bahnwärterhäuschen traf ich rastende Kürassiere
und ein verhutzeltes Krenweiberl. “ Die Vergangenheit
kann man nicht mehr ändern“. Sagt sie.
Ich sitze neben der bekannten österreichischen Schau-
spielerin Birgit Minichmayr auf der Parkbank. Sie trägt
einen funkelnagelneuen Minirock in exquisitem Anthrazit
und schwärmt von dem höchst delikaten Paprikaeintopf,
den sie gerade im “ Café Bräunerhof“ verspeiste. Dann
ist sie mucksmäuschenstill. Die Gemengelage ist unklar.
Hoffentlich schieße ich kein Eigentor. Meine Kenntnisse
über Eintöpfe sind, sehr vorsichtig formuliert,
einigermaßen lückenhaft.
Ich frage sie nach “ Winterspelt“, dem Roman
von Alfred Andersch. Kennt sie nicht.
Ich frage sie nach John Constable, Hampstead
Heath, Branch Hill Pond. Ist ihr wurst.
Ich frage sie, ob sie eine gelbe einer grünen
Erbsensuppe vorzieht. “ Was willst du eigentlich, du
Scheißpolackenmotherfucker“? Ich bin leicht irritiert,
sie hingegen steht auf und stöckelt stolz davon
wie nie.
Das wars für heute. Mehr ist zum Glück nicht passiert.
Nur in der Fundgrube habe ich auf dem munteren Heimweg
locker noch einen gebrauchten Staubsauger
käuflich erworben. Dazu eine Viertelliter-
flasche Preiselbeersaft.
aus dem Kessel aus den schlammschlachten heraus
heraus GUSTAV MANFRED GUIDO fallenstellend flüchtig
dem Versuchskaninchen haut ihnen übers Ohr vermaledeit
weit weit sieh zu aus dem schneider gesellen sich im auf-
wind zum jektscharek ins baranji bell sonstwerwer Schluk-
ker arme Prediger jähzornige stehen nicht auf linkerhand
wohin an die Kaffeemaschine wohin wohin wohin zu den
Zirkusdirektoren mit Muskelkater willste Pulverfässer
verwässern beiseite?
aber hatten sie nicht genug sitzfleisch für die ZERREISS-
probe krass-no-dar fix und foxi bar trotz vaterländisch
das makellose Märzveilchen mäkelt: Ich kenne keine
FRANZISKA ver-FAHR-dich-zu-lässig die zweite
Bruno NOVAK, geboren 13. Oktober 1951 in Witulten.
2010 Veröffentlichung des Gedichtbandes „ sagte charlie“, Rhein-Mosel-Verlag, sowie Titelgedicht „ Im Rampenlicht verborgen“ und weitere Texte im Jahrbuch für Literatur, Verlage Brandes & Apsel.
Film- und Musikkritiken in diversen – verblichenen? – Zeitschriften.
Kurzvita bis 1970 Grundschule plus Gymnasium
bis 1975 Studium der Kurzgeschichte
bis 1970 Landstreicher
bis 2010 Kriminalkommissar
bis 2012 Fotograf
ab 2013 süßes Nichtstun.