Hans Drawe für #kkl11 „Es kommt die Zeit“
Ein schweigender Himmel
hoch, weiß, von seltsamer Klarheit
und Stille.
Gleich einer Bachschen Fuge,
nur eben still.
Selbst die Tannen am Berghang
haben das Atmen vergessen.
Das Reh fühlt sich ausgestopft,
so still ist es.
Der Regenbogen schläft noch
hinter den Sternen,
die auch noch nicht erwacht sind.
Der schweigende Himmel
zelebriert die Messe vor dem Sturm,
eine weiße Wolke als Mitra.
Noch genießen wir das Schauspiel
und pflegen die Einfalt unserer Herzen.
Der Asra
Der Asra stirbt nicht,
wenn er liebt.
Er ist ein starker junger Mann,
in dessen Adern
die Liebe das Blut peitscht.
Er lacht sich schief
über den romantischen Unsinn,
dass er stürbe, wenn er liebe.
Altersbefindlichkeit
Ich schreibe.
Und zwischen den Zeilen
bricht der Tod
sein Brot.
Noch trage ich kein Gebiss.
Doch die Stechkarte Leben
wird jeden Tag
aufs Neue
gelocht.
Vor dem Fenster
weht ein Leichentuch
im warmen Sommerwind
gediegen ins Blau.

Poet im Jahr 3000
Texte und Bild aus „Seelengesichter“ von Hans Drawe
Hans Drawe absolvierte das Literaturinstitut Johannes R. Becher in Leipzig. Er schrieb mehrere Film- und Fernsehdrehbücher (ZDF, NDR, HR), den Roman „Kopfstand“ (Hoffmann & Campe), „Griebnitzsee“ und „Die Verführung“ bei Tredition. Neben dem Lyrikband „Seelengesichter“ Lyrik für Anthologien und „Auswahl 66“, Verlag Neues Leben. Er schrieb außerdem Hörspiele für verschiedene Sender der ARD und mehrere Theaterstücke, die in Berlin, Ingolstadt, Halle und Düsseldorf aufgeführt wurden. Von 1968 bis 1970 arbeitete er als Dramaturg bei der DEFA Kurzfilm. 1970 Flucht über die Mauer. Dann Außenlektor beim ZDF; Rundfunkmoderator beim HR. Von 1978–2005 Hörspielregisseur beim HR. Deutscher Hörbuchpreis; Hörbuch des Jahres 2000; Preis der Bayrischen Theatertage für das Stück „Der Englische Pass“; Bundesfilmförderungspreis für das Drehbuch „Ein Mädchen aus zweiter Hand“.
Quelle: Verlag / vlb
