Johanna Volk für #kkl13 „Über den Tellerrand“
Einmal wurde es ihm zu klein
Einmal wurde es ihm zu klein
Auf dem Teller, auf dem er lebte
Es war auch nicht viel Platz
Wegen des großen Karussells, das in der Mitte klebte
Immer im Kreis, es war wie
Runde Einbahnstraßen
Abgestumpfte Leute die auf
abgewetzten Holzpferden saßen
Bei ihrem Ausritt hielten sie alle
an einer kurzen Leine
Ihre Gedanken
Eingerahmt in Stacheldrahtzäune
Er stand vor dem riesigen Kreisel
Und irgendwie drehte sich jeder um sich selbst
Leere Gesichter zogen an ihm vorbei
Jemand rief ‚es ist unmöglich, dass du dagegen hältst‘
Er hielt es nicht mehr aus
Rannte an den Rand
Und weil er alleine war
Nahm er sich selbst an die Hand
Dann sprang er vom Tellerrand
Und merkte schließlich
Dass er sich doch nur wieder
Auf einem anderen Teller befand
Entsetzt sah er sie an, mit Panik
Die unzähligen runden Scheiben aus Keramik
Mit jeweils einer Portion Menschen
Die schlecht über die Mensch auf den anderen Scheiben denken
Das gleiche Karussell, die gleichen Gedanken an den Leinen
Abgewetzte Leute auf abgestumpften Pferden
Und sie fingen an sich gegenseitig anzuschreien
Die unzähligen Tellermenschen-Herden
Erst hob er sich die Ohren zu
Aber der Lärm schnitt seine Hände
Und seine Trommelfelle
Und er dachte: wenn ich doch nur den wahren Tellerrand fände
Dann schrie er auch
So laut
Lauter als alle zusammen
Dass alle Teller zersprangen
In Tausende Splitter bis hin zu Sand
Der sich zu einem gewaltigen Strom zusammenfand
Jetzt schrien sie aus Angst
Aus Angst zu ertrinken
Hielten aneinander fest
Um nicht im Treibsand zu versinken
Endlich ließen sie ihre Gedanken frei
Flochten aus den Leinen ein gemeinsames Schiff
Und merkten – Sie saßen alle im selben Boot
Und er
Er war glücklich
Als es schließlich jeder begriff.
Johanna Volk, Jahrgang 2002 und wohnhaft in Mannheim, hat letztes Jahr ihr Abitur absolviert und dabei auch den Deutschpreis erhalten. Die Leidenschaft für die deutsche Sprache begleitet sie schon seit der Kindheit – gerne schrieb sie Geschichten und Gedichte für ihre Eltern und Geschwister. Zur Zeit befindet sich Volk in einer Orientierungsphase. In dieser unternimmt sie viel mit ihren drei Schwestern, arbeitet in einem Teeladen oder macht ein Praktikum bei dem Schreiner.
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