Sarah Salbaum für #kkl14 „Es ist schon alles da“
Geistermonolog
Bin alt. Mein Mindesthaltbarkeitsdatum ist schon längst abgelaufen. Nicht erst seit ein paar Tagen, auch nicht vor einem Jahr, sondern vor Jahrhunderten. Wäre der Kuchen des Lebens noch genießbar, wäre ich nicht hier und würde mich bemitleiden. Ich weiß gar nicht das Datum oder den Grund, weswegen ich jetzt in dieser Misere stecke. Mir bleibt eigentlich nur noch das endlose herumwandern, wie ein streunender Kater bin ich ständig auf der Suche nach etwas. Ich spüre ja nicht mal den Asphalt auf dem ich laufe, da ist nur Leere. Leere in meinem Kopf und Leere in meinem nicht existenten Körper. Kein Gefühl. Bin alleine, einsam würde so manch’ einer sagen. Vielleicht bin ich niedergeschlagen, frustriert, kalt. Hab’ keine Ahnung. Weiß gar nicht was die Lebenden immer haben mit ihrem anscheinend so öden Leben. Die haben doch alles. Es ist schon alles da, ihr Leben, ihre Gefühle und eine Familie, die sie umsorgt. Meine Familie ist schon längst tot. Ich wurde nach ein paar Jahrzehnten in den Restmüll geschmissen und wie ein verrottetes Stück Fleisch, verdrängt und vergessen. Ich war kein Mensch, der viel erreicht hat, stehe in keinem Geschichtsbuch, war keine einflussreiche Person, die etliche Dynastien aufgebaut hat. Gerade sitze ich auf einer Bank, sehe eine Frau mit irgendjemanden sprechen, durch so ein magisches Ding. Sie ist laut und schreit, sie hätte es satt, er könne seine Sachen packen und verschwinden. Würd’ ihr gerne meine Meinung geigen, sagen es ist schon alles da, was sie braucht. Hat eine Tasche mit so ‘nem Namen drauf, den ich nicht verstehe, aufjedenfall ist die mit einer kobaltblauen Farbe bepinselt. Zu meiner Zeit, die teuerste Farbe die es gab, das Tor von Babylon hat eine ähnliche Farbe, ist nicht so, dass ich es jemals gesehen hätte, aber es hat garantiert einen Haufen Geld gekostet. Neben ihr steht ein Korb, voll mit Essen. Ich verstehe es nicht, es ist doch alles da, sie leidet nicht unter Hunger, sowie ich früher, als die Ernte schlecht war und meine Kinder ne’ überschaubare Portion verdünnte Suppe gegessen haben. Außerdem kann sie mit jemanden reden, mich hören die Leute nicht, wenn sie nicht grad’ Geisterflüsterer sind, so ‘nen Blödsinn gibts eh nicht. Ich bin immer noch in einer Zwischenwelt gefangen, sonst gehen die Verstorbenen gleich ins Licht und hocken nicht jämmerlich in der Gegend rum. Ich bin ein stiller Beobachter, Leute ziehen vorbei, laufen durch den Park oder jagen ihren Kindern nach. Die Frau ist abgehauen. Langsam wird es dunkel. Der Mond leuchtet immer noch im selben Licht, er ist und war schon immer da, genau wie die Sonne oder der Glaube, für eine Art von einem über alles stehenden Wesen. Es ist schon alles da, ihr habt euer Leben, ich hab’ meine Einsamkeit. Das einzige was mir geblieben ist sind meine Gedanken und die Welt, auf der ich geboren wurde. Es ist schon alles da, ich bin da, liege irgendwo unter der Erde in einer Holzkiste und warte darauf bald gehen zu dürfen.

Sarah Salbaum, geb. 2001 in Eichstätt, lebt in Gaimersheim und begann schon als Grundschulkind, Gedichte und Geschichten zu schreiben. Sie entdeckte die Literatur erneut in ihrer „Zwangspause“ und ist im Horror-Genre angesiedelt. Derzeit schreibt sie an ihrem ersten Psychothriller.
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