Mia Kufner für #kkl15 „Nähe“
offene fenster
Die Drogen haben dich aufgefressen. Von innen, nur dein Herz ist noch unberührt. Du hast mich nie da reingelassen. Doch dein Blick berührt mich, jedes Mal. Wie eine meterhohe Welle aus salzigem Wasser stürzt du dich über mich und wir sollen doch nicht so viel Salz zu uns nehmen. Nur eine geringe Menge jeden Tag. Also versuche ich dich abzulehnen. Versuche es stattdessen mit Zucker. Aber mein Körper hasst diese klebrige Süße. Mein Magen verdreht sich und übergibt, zuckende Glieder, die Süße wieder. Du bist Wochen, Monate, Jahre weg und ich vertrockne ohne Salz langsam von innen. Ich liebe das Meer. Ich liebe die blaue sich kräuselnde Oberfläche, auf der man sich spiegelt wie ein abstraktes Gemälde. Alles sieht schöner aus, wenn es so abgebildet in sich bewegender Masse, in Unendlichkeit, vergänglich wiegt. Und dabei vergesse ich, immer und immer wieder, wie mein Körper anfängt aus Fugen zu geraten, wie er sich wehrt und dann doch am Ende fallen lässt, machtlos gegenüber dieser Naturgewalt, wenn die Welle über mir zusammenschlägt. Ich bin nicht oft am Meer. Ich umgehe es, soweit es geht, fahre alle Umgehungsstraßen. Und dann nachts in dunkelster Dunkelheit, bewegungslos und wehrlos in Träumen findet es mich wieder. Wenn du weißt, ich kann nicht gehen. Die Welle stürzt sich auf mich und ich lass mich gehen.
Wir fahren in deinem Cabrio und lassen uns die Freiheit um die Herzen wehen. Ich weiß seit dem Tag nicht mehr, wie man mit geschlossenem Fenster fährt. Ich sag, ich hab keinen Bikini dabei und du sagst, es sei egal oder sollen wir noch zu mir fahren und ihn holen. Sie sitzt auf dem Rücksitz, bietet mir ihren an und ich erfinde Ausreden, sage, er würde mir nicht passen, nehme hin, dass sie es aufnimmt, als wäre sie zu dick. Ich kann ihn nicht anziehen. Oder ich kann nicht ins Wasser. Und du weißt, dass ich gegen Letzteres wehrlos bin; ich weiß, was mich erwartet. Ich warte auf die Welle. Ich warte auf das Salz. Du darfst den Grund nicht erfahren und ihr denkt euch, ich bin seltsam. Ich denke, wenn ihr die Narben sehen würdet, die meine Oberschenkel durchziehen, hättet ihr feste Belege dafür. Nur mein Bikini kann sie kaschieren, legt Lagen schwarzen Stoff auf genau die Stellen. Ich würde so gerne nackt baden gehen in deinen Gewässern. Meine Hände riechen nach kaltem Rauch, Lucky Strike. Meine Hände versuchen, deine Hände nachzuahmen in jeder Sekunde, in der du nicht da bist. Es sind viele, wir sehen uns in guten Zeiten einmal die Woche, in anderen zwei Jahre nicht. 63072000 Sekunden ohne dich. Und dann sind wir drinnen in chlorblauem Wasser, das hell leuchtet, während die Füchse nebendran übers Feld laufen und auf Jagd gehen nach unschuldigen Hasen. Du tauchst unter mir auf und ich strecke meine Arme aus, wie Rose in Titanic und die Welle kommt und reißt mich mit. Ich kriege keine Luft, mein Körper strampelt und versucht, an die Oberfläche zu gelangen, doch es nützt nichts. Und dann laufen wir durch die Kälte, unsere Körper klirren inmitten den paar Schritten zum Haus. Die drei Stufen hoch, springen wir mit einem erwartungsvollen Lächeln, können uns nicht zurückhalten, kichern. Wie Kinder auf dem Spielplatz. Die Dusche ist aus Glas, das Bad hat keine Tür, nur einen Vorhang. Wir ziehen Spuren hinter uns her aus Wasser. Unsere Körper tropfen und lösen sich von dem unnatürlichen Chlor, bis wir zwischen dem Glas stehen. Das heiße Wasser rennt gestoßen aus kaltem Stahl und trifft auf unsere Körper, die zucken durch die aufschlagende Hitze. Ich spüre das Feuer schon lange im Herzen. Du betrachtest aus der Ferne meine Brüste. Sagst, sie wären so schön wie die Wüste. Ich lächele. Denke, ich wünschte, ich wäre die Wüste, könnte alle deine Wellen aufsaugen und das Salz und würde nie ertrinken; nie vertrocknen. Es wäre Liebe.
Die Drogen sind dabei, dich langsam aufzufressen, wir stehen in der Dunkelheit und niemand ist auf der Tanzfläche. Ich gehe. Flehe dich an, `bringt du mich zum Auto?`. Du lässt mich dreimal fragen, vor all den anderen, es ist mir egal, du merkst, ich werde dich nicht hierlassen, ohne eine Sekunde mit dir alleine in der Nacht zu stehen. Also laufen wir zu meinem BMW 316i. Es ist kein Cabrio, aber ich fahre mit offenen Fenstern. Er ist dunkelgrün, wie dein erstes, in dem wir uns liebten. Du frägst mich, warum wir immer die Arschlöcher lieben. Ich sage dir, du bist keines. Du sagst mir, ihr seid schwanger, du wirst Vater. Meine Welt bricht zusammen unter tausend Flutwellen. Du hast mich noch nie weinen gesehen, aber du gabst mir das ganze Salz für all die Tränen. Und ich wünsche mir, es wäre meines, das wachsende Leben; du in mir.
Du stehst ein paar Meter weiter, siehst mich verlieren.
Schaust weg.
Ich sage, ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben soll.
Du sagst nichts.
Ich steige in meinen BMW 316i, du rufst fahr vorsichtig! Ich roll alle Fenster runter und drück aufs Gas. Alles wird schwarz.

Mia Kufner
Geboren 1999, Heimat im Südschwarzwald. Nach einem Auslandsjahr in Australien entschied sie sich für das Studium „Kreatives Schreiben und Texten“ in Berlin und vertiefte ihre Leidenschaft fürs Schreiben.
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