Über die Liebe

Alexander Baranov für #kkl15 „Nähe“




Über die Liebe


Ich wanderte über die Straßen dieser Welt. Einsam und suchend, rastlos. Ich fror und malte mir aus, wie ich einen Platz zum Aufwärmen finden werde. Wie dieser wohl sein würde? Vielleicht ein Haus? Etwas Uriges, ein Blockhaus? Oder etwas Kitschiges, mit vielen kleinen spitzen Türm-chen, die sich dem Himmel entgegenstrecken würden, wie die Stacheln eines Igels? Ach was soll‘s, eine Höhle täte es auch. Das wichtigste ist ein Lagerfeuer. Das knisternde, warme, nach Kiefern duftende Feuer.
Und so bestritt ich meinen Weg. Mal lachte mich die Sonne an und ich vergaß meine Suche und erfreute mich der Reise. Mal begrüßte mich der Tag mit kalten Schlägen und drängte mich in die schützende Umarmung meiner Fanta-sien. Zu Beginn meiner Reise schwor ich mir an jeder Höhle, gar an jeder einfachen Hütte, vorbeizumarschieren und mich nur mit einem Schloss zufrieden zu geben. Doch die Tage vergingen, immer mehr kalte, durchnässte Stun-den setzten sich in meinen Erinnerungen ab. Meine Schuhe nutzten sich ab, mein Gang, der am Anfang leicht und federnd war, wandelte sich in die schleppende Fort-bewegung eines Greises. Ich fand einige Schlösser, doch sie waren von tiefen Gräben umsäumt. Ich fand einige ein-ladend aussehende Hütten, doch sie waren bereits besetzt. Als die letzten Tropfen meiner Hoffnung sich mit dem Wasser, das mir ins Gesicht peitschte, zu vermischen drohten, fand ich eine Höhle. Sie war nichts Besonderes, aber sie war trocken und sauber und es roch nach Kräu-tern und nach verwelkten Sommerblumen. Die Höhle ge-hörte niemandem und so meldete ich meinen Anspruch und blieb. Ich legte meine durchnässten Kleider ab und zündete das Feuer an. Es war schwer, denn meine Finger waren taub und nass und ich hatte keine Übung darin ein Feuer zu entfachen… und ein wenig Angst hatte ich auch. Doch die Sehnsucht nach der Wärme war stärker und meine Hartnäckigkeit zahlte sich aus: das Feuer begann zu brennen. Am Anfang leckte es nur vorsichtig über die Holzscheite, als ob das Feuer selbst noch ungeübt und ängstlich wäre. Ich behandelte es pfleglich wie einen klei-nen Spross und so wuchs es und wurde wärmer. Das Feuer loderte immer heller, die Flammen stiegen immer höher hinauf, bis sie die Decke meiner Höhle berührten. Ich lachte lauthals und tanzte um das Feuer. Die Hitze er-fasste mich und zog mich in ihren Bann. Sie vernebelte meine Sinne und raubte mir den Verstand. Meine gesamte Existenz wurde nur von einem einzelnen Gedanken geleitet: zu tanzen. Der Schweiß rann in Strömen über mein Ge-sicht und meine Glieder wurden kraftlos, doch es küm-merte mich nicht und ich tanzte weiter. Ich lachte wie ein Verrückter und zum ersten Mal in meinem Leben war ich wirklich glücklich. Irgendwann fiel ich erschöpft um und lag neben dem Feuer. Ich konnte mich nicht bewegen, aber es war in Ordnung, denn ich wusste, dass ich wieder zu Kräften kommen und wieder tanzen würde. Dieser Ge-danke erfüllte mich mit Freude. Die Freude brachte mir Ruhe und ich schlief ein. Ich schlief tief und fest und kein Traum suchte mich heim, denn ich musste nicht mehr träumen… ich hatte mein Paradies gefunden.
Als ich aufwachte waren die Flammen erloschen und nur die glühenden Kohlen lachten mich an. Sie waren süß und ich mochte sie. Ich wollte nicht, dass sie erloschen, und so behandelte ich auch sie pfleglich und sie lebten weiter. Sie spendeten mir Wärme und Gemütlichkeit. Ich blieb glück-lich, aber auf eine andere Art. Mein Glück war wie mein Feuer: leise, gleichmäßig und warm. Die Erinnerungen an jene verrückte Nacht verblassten mit der Zeit. Ab und zu stellte ich mir vor, wie es wäre, um ein Feuer in einer Hütte oder gar in einem Schloss zu tanzen. Dabei biss ich mir sehnsüchtig auf die Lippe und blieb regungslos sitzen, bis mein kleines Feuer ein leises Knistern von sich gab, und mich in mein friedliches Dasein zurückholte. Ruhig… gleichmäßig… beständig. Ich fing wieder an zu träumen. Nichts Bestimmtes, nur verwirrte Bilder voller Sehn-sucht… stechender Sehnsucht in meiner Brust… und Kälte. Wenn ich diese Kälte spüre, rücke ich näher an mein Feuer, aber die Kälte sitzt so tief, dass ich trotzdem friere… manchmal.
Ich habe mir schon überlegt eine neue Höhle zu suchen. Eine, wo noch kein Feuer angezündet wurde. Aber dann sehe ich mir meine durchnässten Kleider an und muss an die verregneten Tage denken, die ich unterwegs ver-brachte. Ich habe meine Wahl getroffen, doch jedes Mal, wenn ich die Rußspuren an der Decke meiner Höhle sehe, beiße ich mir auf die Lippe.




Alexander Baranov. Ich bin 35 Jahre alt und arbeite als Softwareentwickler. Ich lese sehr gern und viel – bereits seitdem ich das Lesen gelernt habe. Dem entsprechend kam irgendwann auch der Wunsch, sich selbst in der Kunst des Schreibens auszuprobieren.





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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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