Nähe

Nadine Theobald für #kkl15 „Nähe“




Nähe

Er geht hinaus, doch er ist noch nicht da, wo er hinwill. Er wirft die Tür hinter sich zu. Sie fällt mir einem lauten, ohrenbetäubenden Scheppern ins Schloss. Er drückt auf den Schlüssel, der sein Auto öffnet. Er öffnet die Fahrertür und setzt sich hinter das Lenkrad. „What the fxxx!“ Er nimmt sein Handy in die Hand und zögert:

Ist das Euer Ernst. Jeden Tag eine neue Verpflichtung? Bin ich verrückt oder alle anderen? Ich mach das nicht mehr mit. Das schwöre ich. Für mich muss es mehr sein als das. Tägliche Posting und Storys über das Frühstück, das Mittagessen und die Lunchbox für die Kinder sind noch nervtötend. Der tägliche per Video dokumentierte Kleiderwechsel von MissWunderbar lässt mich fast toben. Soll ich alle löschen? Entfreunden? Entfolgen? Soll ich mich ganz abmelden? Mein Handy wegwerfen? Kommunikation läuft halt so in der heutigen Zeit. Aber mal ehrlich. So viel wie ich durch meine Apps auf dem Handy über Menschen sehe, würde ich persönlich denjenigen niemals preisgeben. Anscheinend kann man nur überleben, wenn man regelmäßig Postings veröffentlicht und im Nachgang darüber kommentiert, redet und den ganzen Schrott auch noch teilt. WO ist das echte Leben oder besser gesagt Erleben hin? Die Wochenenden aus der Jugend, über die wir uns dann von Montag bis Donnerstag noch unterhielten, weil sie voller Erlebnisse waren. Das waren noch echte Erlebnisse, ohne sie mit dem Handy zu dokumentieren. Echte Erinnerungen! Wir haben keinen Like*s oder Hashtags gebraucht. Wir waren einfach zusammen. Dieses Gefühl von Verbundenheit hat man nicht in den Social Medien. Warum hat der alte Schulkamerad im Lebensmittelgeschäft keine Zeit für einen kleinen Plausch, kann aber abends (kurz nach dem Einkaufen), zig Stunden irgendwelche Bilder liken und postet sein ach so intensives Training im Fitness Studio mit exzellent in Pose gestellten Bildern.  Sind die alle dieser Sucht verfallen?  Sie bevorzugen den wahnsinnigen Hype, dem persönlichen Gespräch und einer möglicherweise entgangenen spontanen Einladung. Genau daran wird es liegen: Spontanität. Früher traf man sich spontan. Man kam spontan zusammen. Einfach so, weil das Leben schön war und man ohnehin wusste, was der andere vorhatte oder eben nicht. Ich früher immer, wann mein Kumpel Zeit hatte und ich einfach vor seiner Tür stand, um ihn abzuholen. Und er ging immer mit, nachdem ich mein Anliegen an der Tür erörtert hatte. Warum auch nicht? Man sah sich fast täglich. Und wenn man sich nicht sah, war man krank oder der andere war in Urlaub. Und nun? Man war sich näher, obwohl man einen halben Kilometer zu Fuß lief, um den Freund abzuholen und danach wieder 2 Kilometer gemeinsam, bis man am Stammplatz des Zeitverteib`s angekommen war. Schade eigentlich, dass man weiß, wie und wo jeder wohnt und was es täglich zu essen gibt, aber dass man nicht mehr weiß, was eigentlich Nähe heißt!“

Damit verwarf er seine Gedanken, hob sein Handy in die Höhe und machte ein Selfie. Mit zwei, drei geschickten Wischs und Drücker auf dem Gerät, lud er in seinem Profil ein Bild hoch. Er schrieb darunter: Hashtag aufdemWegzurArbeit und „der frühe Vogel….“




Nadine Theobald





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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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