Kathrin Freder für #kkl15 „Nähe“
Verbundenheit
(zu: Ernst Ludwig Kirchner, „Die Verbindung“, 1922)
Ein Bild vom „Brücke“-Maler Ernst Ludwig Kirchner. Es heißt „Die Verbindung“. Das ist es, was ich betrachte. Und ich stelle mir die Frage, was es bedeutet.
Zwei Menschen – Mann und Frau – stehen sich gegenüber; zwei Einzelwesen, getrennt voneinander. Verstärkt wird dies noch durch den Rahmen, wie ein Fensterkreuz. Zwei einzelne Menschen suchen Verbindung, reichen sich die Hand.
Ich betrachte das Bild und fühle Einsamkeit angesichts der Vereinzelung.
Der Mensch ist allein, sucht deshalb Verbindung zu etwas Anderem, das ihn ergänzt, vollständig macht.
Mann und Frau, zusammen ein Paar, allein nichts Ganzes, nur etwas Halbes, verbunden durch die Hand, die sie sich reichen.
Ich betrachte das Bild und fühle Traurigkeit. Vereinzelt zu sein, ist weniger wert. Das Paar dagegen ist vollkommen.
Doch das Paar, das ich sehe, ist getrennt voneinander. Es sind zwei Menschen, die sich begegnen.
Ich seh´ keine Einheit. Eine Einheit ist der einzelne Mensch. Wo ist die Verbindung zwischen diesen?
Ich schaue zum Bild. Die Trennung ist nur äußerlich.
Zwei Menschen, stehen aufrecht, gleichberechtigt, ohne Über- und Unterordnung, schauen sich gegenseitig in die Augen.
Sie erkennen sich im jeweils Anderen; zwei Seiten ein- und desselben.
Sie sind interessiert am jeweils Anderen, erwarten nichts von ihm, missbrauchen ihn nicht für eigene Zwecke, vereinnahmen ihn nicht für sich, belassen ihn vielmehr, so wie er ist.
Zwei Menschen – zwei Individuen; äußerlich getrennt – innerlich verbunden; eine Einheit, weil sie ihre Vereinzelung als Mann und Frau überwunden haben.
Ich schaue zum Bild, bin weder traurig noch fühle ich Einsamkeit, weil ich erkenne, dass ich als Einzelner wertvoll bin in einer höheren Einheit.
Mann und Frau – für Geist und Materie Symbol – sind aufeinander bezogen, wenn sie nicht herrschen wollen, sich vielmehr anerkennen als gleichberechtigt.
Und verbunden sind sie, nicht durch die Hand, die sie sich reichen, sondern die Überwindung ihrer Gegenständlichkeit.
Mann und Frau – Geist und Materie – sind Objekte, die sich begegnen. In der Beachtung des jeweils Anderen schaffen sie eine Verbindung zu etwas Höherem, das sie selbst übersteigt.
Ich sehe das Bild – ein kosmisches Prinzip – nicht nur zwischen Mann und Frau konkret.
Kathrin Freder wurde 1973 in Riesa geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften und arbeitet als Rechtsassessorin in einer Kanzlei. In ihrer Freizeit schreibt sie Gedichte und Prosa-Texte, in denen sie Erlebtes aus Vergangenheit oder Gegenwart verarbeitet. Um sich bestehende Konflikte bewusst zu machen, nutzt sie oft Bilder berühmter Maler und Künstler. So entstand das Buch „Hell und Dunkel sind in uns – Hell und Dunkel, sie sind eins“, in dem sie Bilder Sascha Schneider´s zum Anlass nimmt, um sich mit sich und der Welt auseinanderzusetzen. Auch zu dem berühmten Panorama von Yadegar Asisi „Dresden 1945“ hat sie ein Gedicht „Das Ganze gilt es zu wahren“ geschrieben, welches am 06.03.2020 auf dem Facebook-Kanal vom Panometer Dresden veröffentlicht wurde. In der Anthologie „Umbrüche“ (Verlag Roloff) ist sie mit dem Gedicht „Vom Gestern zum Heute“ vertreten. Des Weiteren beteiligt sie sich an der Literaturwerkstatt des Kulturraumes Meißen – Sächsische Schweiz – Osterzgebirge.
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