Die Route wurde bereits berechnet

Carolin Helmker für #kkl16 „Der freie Wille“




Die Route wurde bereits berechnet

Der freie Wille ist für mich wie ein Vogel, dem sein eigentliches Streben verwehrt bleibt. Soll er eigentlich frei durch die Lüfte fliegen, so entscheidet er doch nicht selbst über sein nächstes Ziel. Seine Reise steht schon fest, bevor er sie antritt, sie ist fremdbestimmt so wie es auch unser Wille ist.

Von Geburt an wird der Weg des Vogels durch das Leben beeinflusst, sein innerer Urkompass ausgeschaltet. Von Anfang an ist es eine Verkettung von Ereignissen, die dazu führt, dass unser Wille der ist, der er ist.

Das geschieht durch die Familie und das Umfeld, in dem wir aufwachsen und die Werte, Normen und Denkmuster, die uns mitgegeben werden. Denn mein Wille wäre ein anderer, wäre ich in einer wohlhabenden Familie groß geworden.

Durch die Gesellschaft und Kultur, in der wir leben. Denn mein Wille wäre ein anderer, wäre ich streng gläubig.

Durch das Land und den Ort, an dem wir aufwachsen. Denn mein Wille wäre ein anderer, wäre ich in Südostasien geboren.

Durch persönliche Schicksale und körperliche sowie psychische Beeinträchtigungen oder Erkrankungen. Denn mein Wille wäre ein anderer, wäre ich mit einer körperlichen Behinderung auf die Welt gekommen.

All dies geschieht von jeher so unauffällig nebenbei, dass wir es oft gar nicht bemerken, bis uns jemand darauf hinweist oder wir von selbst genauer hinschauen. Im gegenwärtigen Moment meinen wir, oft unbewusst und ohne viel darüber nachzudenken, unser Wille sei frei in dem was wir tun oder nicht tun.

Aber am Ende ist es so, dass der der Vogel gar nicht in Betracht ziehen kann, dass es auch noch andere Orte gibt, zu denen er fliegen kann, denn von dem Weg dahin haben ihn die vorigen Stationen abgelenkt.

Für ihn ist die Route bereits berechnet und er folgt ihr dabei denkend, er würde sich seine Ziele selbst aussuchen, doch tut er das nicht.

Das, einen unfreien Willen zu haben, heißt aber nichts Schlechtes für mich. Einen Willen hat man dennoch, das Herz des Vogels schlägt trotzdem. Aber ganz frei ist er eben nicht. Und doch wurde er dorthin geführt, wo er heute ist und hat Dinge erlebt, die ihm auf einer anderen Strecke verwehrt geblieben wären.  

Und schaue ich mich um in dem, was heute ist, finde ich genug Schönes, genug Richtiges.

Schlussendlich denke ich, dass alles, was uns passiert, sei es in einer ersten emotionalen Wahrnehmung gut oder schlecht, dafür sorgt, dass niemandes Willen am Ende wirklich frei sein kann. Denn auch wenn wir denken, dass wir gerade frei entscheiden, ist dies bereits geschehen, bevor wir es gemerkt haben. Und so hat der Vogel bereits die Aussicht bestaunt, zu der ihn heimlich alle Wunder und Hindernisse davor geführt haben.




Carolin Helmker

„Lehramtsstudium (Fächer Deutsch und Geographie) an der Johannes-Gutenberg Universität Mainz, seit 04/2022: Studium der Geographie an der Johannes-Gutenberg Universität Mainz
Schreiben, Lesen, Yoga, Zeichnen, meine Leidenschaften.“





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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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