Thomas Steiner für #kkl17 „Begegnung“
hölderlin in seinem zuhause
wie banal.
birnen, wasser, der neckar ist das.
im neckar schwimmen enten
spaziergänger sitzen im uferpark
blümchen und blumen
ich war dort und
bin ihm nicht begegnet.
das ist so lieblich alles, wem gefällt das?
er tat mit leid
der arme kerl an seinem fenster.
vor ein paar tagen begegnete mir
mein mathelehrer.
also: er ist schon tot
schon lange tot
aber er geistert noch herum
im hirn, ab und zu einmal.
er stand in der blumenwiese
da musste ich schmunzeln
was hat er denn mit blumen zu tun?
aber gestört hätte ihn das nicht.
oben sitzen zwei reiher
in den bäumen
und schauen herunter
ins wasser oder egal wohin
und ich warte
ob sie herunterkommen
aber sie bleiben oben
ein wenig bewegen sich die zweige
und die reiher mit ihnen
und die wolken.
wir halten das lange aus, ich und die vögel.
ein zug fährt vorbei
höre ich und
fühle ich
schade, dass ich nicht mehr zug fahren mag
man kann im zug sitzen
und gulaschuppe essen
früher habe ich das gemacht
gulaschsuppe, ich denke an gulaschsuppe
als ich den zug höre.
der zug ist vorbei. früher
bin ich zug gefahren und ausgestiegen
wo ich gerade lust hatte
wenn die suppe fertig war
bin ich ausgestiegen
wo er eben stehen blieb. begegnet?
begegnet bin ich nie jemand.
Thomas Steiner, geboren 1961 bei Reutte/Tirol.
Einzelveröffentlichung zuletzt: mein horizont ist der first der nachbarhäuser (gedichte). hochroth-verlag, 2013.
Beiträge im Jahrbuch der Lyrik, DVA, 2011, 2013. Aktuell in: Am Erker 82 (2022), Experimenta 6/2022, #kkl14.
Über #kkl HIER