Bernhard Horwatitsch für #kkl18 „sowohl als auch“
Die ganze Welt
Was wir zumeist besingen
das ist nicht schwer
im Vordergrund binär
so ist das mit den Dingen
Seiten gibt es immer zwei
das ist ganz unbestritten
auch so mit unseren Sitten
darin sind wir nicht frei
es gibt das Gute und das Schlechte
und werfen wir es in die Luft
dann wäre man ein Schuft
bestritte man die Mächte
so ist zweimal die Welt erdacht
in einer Art und einer Weise
mal laut und wieder leise
zu einem ganzen Ding gemacht
Die letzten Schuhe
Die Sohlen meiner
alten braunen Schuhe
ich liebte diese
kamelscheißfarbigen
vertrauten Treter
lösten sich vom Oberleder
ich weinte etwas und
lachte auch aus Freude
über diesen Schaden
du bist genug gelaufen
sagte das Universum
während ich die dunklen
Gummitupfer wie kleine Mondreste
vom Boden kehrte
und diesen längst nicht mehr
wasserdichten aufgelösten Schuh
entsorgte und meine
nackten Füße kalt
auf den Boden klatschten
Liebeslied in Terz an Wolken
Schnitte geronnener Milch schneiden
blicke ich hinfort von fernem Blau
glitzernde Silben auf sonnige Weiden
Mir scheint der helle Wurf in diesem
Blumenkreis der schönsten Frau
ein tiefrer Grund für all die Wiesen
Alles brennt uns müden Riesen
Stein um Stein in unsren Augentrieb
es sollt ein Regen sich ergießen
So kühles Schauern wär uns lieb
als wär das Ammenbier dort oben
ein weicher, zarter Lebenssieb
Weiß um weiß verschoben
hätten wir das Licht
ganz reflexiv gebogen
Ach seht ihr es nicht
wie Wunder funkelt und knistert
dies schwer bedachte Ungewicht
wie tiefer Zauber sich in ihr bewegt
In dunklen Worten zugeflüstert
als Wiegennest ins Abendhaar gelegt
Rentenballade
Es endet jedes Sklaventum
in einer kleinen Leib-Pension
ein Leben lang ist man ein Schuft
man hat geschuftet bis zur Gruft
bis man in dieser endet
wird vom Vater Staat noch was gespendet
Rente ist ein schönes Wort
lässt man das R davor nicht fort
ansonsten wird’s ein gerupftes Huhn
der Lohn für’s gar nichts tun
meist ist es dünnes, trocken Brot
dann ist man tot
denn was nichts kostet
wird faul und rostet
ist was wirklich teuer
zahlt man dafür Steuer
reich wird in diesem Land
das ist uns lange schon bekannt
nur der lebenslange Dieb
der meisten steuerfrei verschied
Bernhard Horwatitsch, *1964, München, Dozent für Recht, Ethik und Literaturgeschichte, hat bereits in zahlreichen Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht. Letzter Roman »Das Herz der Dings«, www.mabuse-verlag.de
Akrobat für Gedankenspiele, regelmäßiger Autor im Philosophie-Magazin Lichtwolf (Freiburg) und der Edition Schreibkraft (Graz)
Gespäch / Interview mit Bernhard Horwatisch und Jens Faber-Neuling HIER
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