Sisyphos

Ada Leupelt und Niclas O‘Donnokoé für #kkl20 „bedingungslos“




Sisyphos

1

Da stand ich nun mit meinem Talent und war doch nur eine miese Nulpe.

Der letzte Pfennig war schon klirrend im Innern der Maschine verschwunden, ohne ihr ein Lebenszeichen entlocken zu können. Der Stein blieb stumm. Den Hausmeister anzurufen war keine Option, ich kannte ihn, er war ein Arschloch. Jetzt meine triefenden Wäscheberge aus der kaputten Maschine in eine der anderen zu wuchten, wäre mir wie eine Blamage vorgekommen. Ich hatte den Stein bereits ins Rollen gebracht und meine Zukunft war von dem Gedanken besessen, morgen in frisch gewaschenen T-Shirts wo auch immer zu erscheinen. Da lief ich nun in all meinem Talent auf und ab im Waschsalon und jeder Griff, den ich am verfluchten Objekt verrichtete, verstärkte nur das Nichts der Wirkung.

Nach einer halben Ewigkeit und rot vor Wut griff ich kurzerhand durch und dabei in eine volle Trocknertrommel unbekannter Füllung. Ich stopfte meine Taschen voll und stapfte aus dem Laden.

2

Ich ging an die Wäsche und roch an ihrer Einheit. Bei jedem Tragen in den darauffolgenden Tagen ging mir das Leben erstaunlich gut von der Hand. Durch die Fremde auf der eigenen Haut fühlte ich mich zusammengehalten und dadurch freier. Kompakt drückten die hellen, anonymen Stoffe meine Haut zusammen, Tag für Tag. Dass ich etwas trug dessen Vergangenheit mir rätselhaft war, ließ in mir ein Gefühl dafür lebendig werden, wie lange ich mich selbst schon kenne. Während die Klamotte eine Frage wurde, wurde mein Körper eine Antwort. Wie im Ritus ertappte ich mich dabei, dass meine Hände unter der Wäsche meine Haut streichelten. Was mein Körper erlebt hat, ist ihm eingeschrieben in einer Sprache, die ich zu lernen begann. Immer stärker griff die Sehnsucht durch nach einem Symbol für die verlorene Zeit der Vergangenheit. Haut und Diebesgut fingen an in Opposition zu treten. Ein Gefühl von Künstlichkeit, Verkleidung kratze meine natürliche Oberfläche. Ich fragte mich, ob meine eigenen Klamotten in der Trommel mittlerweile wohl schimmelten. Oder ob sie eine Reise angetreten haben.

3

Zwei Wochen später im Salon ein junger Mann: „Nehmen Sie nicht die Maschine dahinten, die ist kaputt.“

„Ich weiß danke“, ich nickte höflich.

„Habe da erst letztens eine ganze Wäsche rausgeholt, die da drin vergessen wurde.“

Ich hörte etwas forschendes in seiner Stimme, das mir Angst machte.

„Ach ja.“

Sein kurzer Blick auf mein Becken, wo meine fremde Wäsche sich einen spaltbreit offenbarte, hat genügt, um mir zu zeigen, was für eine Begegnung im Raum stand. Wir hielten den Blick sicher mehrere Sekunden. Scham stieg in unserer beider Gesichter. Ohne einen weiteren Blick auf die Wäsche des andern zu werfen, senkten wir unsere Köpfe und verrichteten weiter unsere Arbeit.




„Mein Name ist Niclas O’Donnokoé (1998 geb.). Nachdem ich in Köln Psychologie studiert habe und zwei Jahre lang an der FU Berlin Literaturwissenschaft, Philosophie und Theaterwissenschaften, studiere ich derzeit meinen Master in Psychologie an der International Psychoanalytic University Berlin. Die Co-Autorin Ada Leupold (geb 1997) studiert derzeit ihren Master in Psychologie an der Universität zu Köln.“






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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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