Zuhause

Julia Kohlbach für #kkl21 „Stigma“




Zuhause

Hier Zuhause kann ich sein, wer ich wirklich bin. Einfach nur ich selbst. Ich brauche mich nicht zu rechtfertigen für mein Aussehen, meinen Charakter oder mein Leben. Ich kenne meine Vier-Wände in- und auswendig, weiß wo alles steht und hingehört.
Jedes Mal wenn ich draußen auf der Straße bin, spüre ich die Blicke der Anderen. Blicke, die sie einfach nicht sein lassen können. Blicke, die einen hinterher starren. Blicke, die einen bewundern – dabei trage ich doch nur eine gelbe Armbandage mit schwarzen Punkten und einen weißen Stock. Und doch bin ich trotz der Blicke für die Anderen unsichtbar.
Von Geburt an bin ich blind, habe gelernt ohne Augenlicht zu leben und immer positiv im Leben voran zu schauen. Doch meine Hilfsmittel sind für viele Menschen Kennzeichen meines Ichs. Dabei bin ich eine ganz normale Frau – schlank, lange braune Haare und grüne Augen. Ohne meinen weißen Blindenstock kann ich kein selbstständiges Leben führen. Bis heute gibt es zu viele Barrieren. Barrieren für Blinde. Barrieren für Rollstuhlfahrer. Barrieren für geistig Eingeschränkte.
Doch wir sind alle nur Menschen, manchmal ist unsere Krankheit nach außen sichtbar, manchmal nicht. Aber wir verdienen alle ein gleichwertiges Leben, mit Hilfe und Unterstützung, aber ohne Barrieren. Bis alle Barrieren aus der Welt geschafft sind, wird es wohl noch eine ganze Weile dauern, bis dahin bin ich am liebsten Zuhause – meinem Rückzugsort – und kann sein, wer ich wirklich bin.




Julia Kohlbach wurde 1995 in Thüringen geboren. Nach erfolgreichem Studium der Bibliotheks- und Informationswissenschaft arbeitet sie als Bibliothekarin. Wenn sie sich nicht gerade dem Kreativen Schreiben widmet, geht sie wandern, arbeitet im Garten oder fertigt Handarbeiten an. Erste Veröffentlichungen in den Anthologien „Bücher, die uns bewegten“;  „Liebesgrüße aus Napoli“ und „Das Rad der Zeit … ein Stück Ewigkeit“ sowie im Online-Magazin KKL.

Interview mit Julia Kohlbach und Jens Faber-Neuling HIER






Über #kkl HIER

Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

Ein Kommentar zu “Zuhause

  1. Liebe Julia, du bist quasi wie ein Wahrzeichen für Viele, die betroffen sind.
    Ich habe auch eine sehr stark behinderte Freundin(…) die das allerbeste aus Allem macht, nie wehleidig ist. Aber hat sie hat einen noch stärkeren Lastkorb auf den Schultern..den niemals jemand sieht.
    Sie ist eine Heldin. Wie du auch eine bist..denn für mich gibt es nichts Wichtigeres als einzutreten für jene, die „wie auch immer“ betroffen sind, körperlich, geistig, psychisch..
    Toll, dass du deine Geschichte teilst..das ist das Allerwesentlichste..dass sich endlich was bewegt in diesen Kontexten..
    Alles Gute für dich. ..Gesundheit, Freude, Kreativität..
    Denk immer daran..du bist ein Wahr-Zeichen, und du setzt sie alle selbst in die Welt.
    Aus Leverkusen grüßt herzlichst
    A.nnTje K.Bartke

    Gefällt 1 Person

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