Viola Adam für #kkl22 „Bewusstheit“
Bewusstes Ich-Doppel-Ich
Ich merkte, wie ich das Bewusstsein verlor, zurück ins Nichts gezogen
wurde. Als ich eine Ewigkeit oder Millisekunde später wieder zu mir
kam, sah ich mich selbst ein paar Meter weiter auf dem Boden kauern.
Etwas in meinem Gehirn verzog sich bei diesem Anblick. Mein Mund
öffnete sich und ich schrie. Der Schrei kam mir weit weg vor, als ob
mein Mund meinem Gesicht zwei Meter vorgelagert wäre.
Was ist denn los?, fragte die Frau auf dem Stuhl mir gegenüber.
Sehen Sie das nicht? Mich gibt es zweimal, flüsterte ich schwach.
Die Frau blickte nur mich an, wie ich auf der weißen Matratze lag, dass
ebenfalls weiße Betttuch um mich gewickelt. Wieso sah sie nur mich an?
Bemerkte sie das zweite Ich nicht, dass das mit uns im Zimmer war?
Beruhige dich, sagte die Frau, es gibt keinen Grund zur Sorge.
Doch, doch, erwiderte ich.
Ich konnte mich nicht bewegen, Panik stieg in mir hoch. Ich versuchte
mit aller Kraft einen Arm zu heben, doch die Botschaft kam nicht an.
Mein Gehirn sandte stattdessen einen weißen Graupelschauer aus, der
sich in mein Blickfeld mischte. Die Szene vor mir verschwamm erneut.
Als ich wieder zu mir kam, war mein zweites Ich verschwunden. Die
Frau saß auf dem Stuhl und sah mich an. Besorgt und interessiert. Vor
allem interessiert. Und ein wenig genervt? Sie war ungeduldig, wollte das
hier hinter sich bringen. Das merkte ich ihr an. Ich versuchte mich
zusammenzureißen, doch es fiel mir schwer all meine Sinne auf das Hier
und Jetzt zu fokussieren. Mein Gehirn drohte mich erneut zu
verschlucken.
Viola Adam wurde im letzten Jahrzehnt vor dem neuen Jahrtausend zwischen Weinbergen und Rhein geboren, verlor sich in Geschichten und fand sich in Büchern öfters wieder als in der sogenannten „Realität“. Später studierte sie Geschichte, Kunstgeschichte und englische Literatur in Mainz und Marburg. Während- dessen führte sie Tutorien in Antiker Geschichte und arbeitete als Hilfswissenschaftlerin. Neben Büchern, Kurzgeschichten und Gedichten schreibt sie auch gerne Kunsttexte, etwa für Ausstellungen ihrer Künstler-FreundInnen.
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