Orinas nie wieder

Thale Lind für #kkl22 „Bewusstheit“




Der Name „Orina“ stammt aus einem altrussischen Volkslied und bedeutet so viel wie: – sie wacht, beschützt uns am Tage, und betet nachts zu Gott.-I

                    Orinas nie wieder.

Ja, sie konnte auf einem Bein stehen und um die nach rechts und links ausgestreckten Armen flogen die kleinen Ringe. Später, auf beiden Beinen stehend, waren es jene Stäbe, die sie oft bei sich trug.
Ihr rundliches Antlitz glich einer sanften Landschaft mit kleinen Erhebungen und Senkungen. Die Haut, hell, aber nicht blass, stets von lichter Wärme berührt, spannte sich elastisch über die hohe Stirn, Wangen bis zu dem schlanken Hals.
Ihre Augen wirkten wie hellbraun erdfarbene Glaskugeln, als Kind noch klar, bereit alles aufzunehmen. Später und älter, dann etwas ermüdet und beide nicht ganz gerade nach vorne gerichtet; wie sähe sie mehr nach innen.
Die Lippen ihres Mundes breiteten sich wie in welligem matten Karminrot gemalt in ihrem Gesicht. Ihre haselnussfarbenes langes Haar waren mittig gescheitelt, nach hinten gebunden, sodass alles in sich beherrscht, ruhig wirkte.

Sie ging aufrecht, geschmeidig, von sichtbarer Größe, in sicherer stillen Art, trotzdem hatte, wie sie ihr Haupt trug, etwas leicht verschlossenes, nach innen horchendes, wenn sie saß. Ihre Emotionen, wirkten wie huschende Lichtschemen im Antlitz und über die Gestalt. Fremde Gefühle nahm sie stets begleitet mit einem Wärme- oder Kältehauch wahr. Sie hörte gut, manchmal unausgesprochenes. Der Ton ihrer Stimme war, der wie von einem durchscheinenden luftigen Stoff, überzogen. Ihr sprechen langsam und melodisch.
Sie liebte das Credo. Die Mutter sang es ihr vor, als sie Kind war, abends an ihrem Bett oder dem zu großen Stuhl, indem sie spielte.
Später dann, älter, als sie oft allein auf der Balustrade stand, und versonnen auf das vom Wind bewegte Meer blickte. Ja, da sang sie es gerne, um dabei die fruchtige Frische der Feigenblätter zu riechen, die sie mit ihren schlanken Händen zerrieb. Wie es damals war, trug sie stets die einfachste Kleidung, eher als die andere.

Sie liebte es, jene Schriften immer wieder zu lesen, die es gab. Sie zu ergründen nach ihrer und der Art, wie ihr Lehrer, ein der Wirklichkeit bewusster, sie gelehrt hatte. Fragen aufzuwerfen und so zu vertiefen, dass schließlich die Frage aller Frage aus allen anderen heraus, wie ein Elixier gerann. Dann aber offen blieb, von außen, und eine Unterbrechung von innen kam.

Der Vater hatte, da die Mutter bereits tot, einen Mann für sie gewählt, später. Sein drängendes, um sie werben wollen, erstarrte zu einem Konflikt.
Ihm schließlich schrieb sie.
„Nicht nur, weil mein lieber Vater dich wählte, ehre ich dich, ich liebe dich auch. Denn wenn du das, was jetzt ist, mit werben wollen bezeichnet, lebst du des Öfteren in der Gegenwart, jener, die ohne hörendes Herz ist. Hier kannst du zu meinen ohne Frage glücklich sein.
Aber Zukunft wird kommen, ganz ohne Frage.
Ich lasse mich berühren durch eine Frage an sie; da das tragische Leben alle Bedeutung, Sinn und Form erst am Schluss äußerlich krönt, gilt mir die Frage an sie, die Zukunft. So frage ich hörenden Herzens, … kannst du auch warten?
Ich lasse mich berühren, habe gelernt, bewusst, nie wieder ja, nie wieder vielleicht oder nein zu sagen und dass das Helle, einst und jetzt gekrönt und offen bleibt, ganz innerlich.




Thale Lind, lebt in der Nähe von Osnabrück, schreibt Kurzprosa, Essay, Lyrik und historische Erzählungen. Dabei geht es nicht darum, dass Literatur immer auserwählt oder etwas Besonders haben muss, sondern darum, dass sie ist, wie sie einmal war und irgendwann sein wird. Eben ein bewusstes Geschehen, das fragt, uns berührt, endet oder offen bleibt.






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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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