Thomas Faßbeck für #kkl22 „Bewusstheit“
In die Falle gegangen
Es war in diesem einzigartigen Moment: wie vom Blitz getroffen, in voller Wucht spürte er zum allerersten Mal dieses Gefühl, das wohl schon seit Urzeiten in ihm war, das er aber bis jetzt noch nie bewusst wahrgenommen hatte.
Das Gefühl, alles, wirklich alles falsch zu machen, gar nichts, aber wirklich überhaupt nichts richtig zu können, sich daher andauernd korrigieren zu müssen bei jedem, auch noch so kleinen Lebensvollzug. Selbst beim Atmen – „du atmest zu kraftlos, oder zu verkrampft, oder zu gierig“- selbst beim Herzschlag- „dein Herz kaspert grundlos herum, nie bringst du deinen Puls in einen gescheiten Rhythmus!“ – ist dieses Gefühl da: im ganzen Wesen, zur Gänze verkehrt, falsch und damit schuldig zu sein.
Zuerst wollte er über diese Entdeckung jubeln: „Ja, jetzt hast du es endlich erkannt, jetzt ist es dir endlich klar geworden – dieses Gefühl, das die große, lebenslange Angst in dir verursacht!“
Aber gleich im Anschluss daran sprang ihn der Gedanke an: „Du quälst dich mit diesem Gefühl von Versagen und Schuld und der Angst, die daraus entsteht, andauernd selbst, und zwar von der Vernunft her völlig unbegründet, denn die Gedanken, die zu diesem Gefühl führen, sind maßlos übertrieben und völlig unrealistisch. Dein Denken ist unvernünftig, dumm, ja extrem gestört. Und du behandelst dich mit dieser Art zu denken und zu fühlen unmenschlich, weil du dich mit diesem falschen Gefühl von Versagen und Schuld selbst andauernd in Lebensangst versetzt und bösartig peinigst. Wie falsch, ja wie verwerflich das doch alles von dir ist!“
Ein Anflug von Grauen kam über ihn.
„Und wenn du dich folglich auf einer nächst höheren Stufe noch ungenügender fühlst, weil du dich so ungenügend fühlst, dich andauernd so ungenügend zu fühlen, und dich dafür noch schuldiger fühlst, als du dich schon schuldig fühlst, dass du dich dauernd so schuldig fühlst, dann geht dies auf einer nächsten, noch höheren Stufe so weiter, und auf einer noch höheren Stufe und auf einer weiteren, noch höheren Stufe, und so weiter…Versagensgefühle wegen Versagensgefühlen wegen Versagensgefühlen und Schuldgefühle wegen Schuldgefühlen wegen Schuldgefühlen….“
Jetzt schwindelte ihm, die Luft wurde ihm knapp.
Gefangen in einem endlosen Bewusstseinspirale von Versagen und Schuld.
In die Falle gegangen.
Gibt es Befreiung? Gibt es einen Weg da heraus?
Thomas Faßbeck ist approbierter psychologischer Psychotherapeut und arbeitet seit 30 Jahren an Fach- und Rehabilitationskliniken vornehmlich im Bereich der Schmerztherapie und Bewältigung chronischer Erkrankungen. Er wurde 1958 in Karlsruhe geboren, wuchs im südhessischen Raum auf und lebt seit seiner Jugend an der badischen Bergstraße. Erste Versuche, Geschichten zu schreiben, machte er schon als Junge. Im späteren Erwachsenenalter realisierte er „Zwiefalt“, sein erstes Romanprojekt.
Mitglied der Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren e.V. (IGdA) und des Bundesverbands junger Autoren und Autorinnen e.V.(BVjA).
BISHERIGE VERÖFFENTLICHUNGEN
Als junger Erwachsener Beiträge in der Schülerzeitung „Das Trojanische Pferd“, Albertus-Magnus-Schule, Viernheim/Hessen:
‚Diese Gesellschaft ist gestorben…‘, Lyrik, Ausgabe 6/1977
‚Die kapitalistische Meßlattengesellschaft oder „was uns kaputtmacht“‘, Essay, Ausgabe 1/1977
‚Sozialismus- zwei Darstellungsversuche, von B. Koch und Th. Faßbeck‘, Essay – Kontroverse, 5/1976
‚Das Brot des Einfachen‘, Parabel, Ausgabe 3/1976
In IGdA aktuell (Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik), 46. Jahrgang 2022, Ausgabe 1:
‚Fallen in die Nacht‘ (Lyrik) und
‚Reise zum Orionnebel‘ (Prosa)
In IGdA aktuell (Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik), 45. Jahrgang 2021, Ausgabe 1:
Textprobe aus dem unveröffentlichten Roman „Zwiefalt“.
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