Astrid Kohlmeier für #kkl23 „Leitsterne und Irrlichter“
Gestrandet
Du tanztest auf den Wellen wie ein Irrlicht
Leuchtetest auf, tauchtest unter, verloschst
Ohne zu zögern streifte ich meine Schuhe ab
Riss mir die Kleider vom Leib, sprang in die Fluten
Schwamm zu dir – dem Ertrinkenden
Ich tauchte nach dir, bekam dich zu fassen
Zog dich ans rettende Ufer, drückte dein Herz
Hauchte dir im weißen Sand wieder Leben ein
Daraufhin floh ich mit dir auf eine einsame Insel
Du versprachst mir ein Königreich am Ende der Welt
Und machtest mich endlich zu deiner Frau
Ich erwachte am Morgen nach unserer Hochzeitsnacht
Fand mich in einer unheimlichen Stille wieder
Barfuß lief ich hinaus in die Dämmerung
Die Sonne wollte nicht aufgehen an jenem Tag
Ich stürzte stolpernd hinunter zum Strand
Wo die Reste eines Feuers noch glommen
Weit draußen am Meer sah ich dein Schiff
Das sich mit schwarzen Segeln von mir entfernte
Du hattest mich in der Fremde zurückgelassen
Und ich verstand: Du konntest mir nicht verzeihen
Dich – einen Helden – vor dem Tod errettet zu haben
Irrlicht
Du bist
Eine flimmernde Berührung im Nebel
Ein zärtlicher Schimmer im Dunkeln
Ein erglühendes Gebet in der Nacht
Ein unfassbares Leuchten im Traum
Du bist
Eine funkelnde Ahnung im Chaos
Ein tröstender Schein im Schatten
Ein atemberaubender goldener Glanz
Ein strahlendes Irrlicht in meinem Herzen
Astrid Kohlmeier,
1983 in Graz (Österreich) geboren, studierte Germanistik an der Karl-Franzens-Universität Graz und der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz. Sie schreibt Lyrik, Prosa und Theatertexte (Per H. Lauke Verlag Hamburg) und erhielt 2012 das Österreichische Staatsstipendium für Literatur. Ihre Texte wurden in Literaturzeitschriften und Anthologien veröffentlicht und ihre Theaterstücke wurden in Deutschland, der Schweiz und Luxemburg aufgeführt. Astrid Kohlmeier lebt und arbeitet in Graz.
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