Ralf Burnicki für #kkl24 „Erlauben“
Abgang
Als die Ermutigungen endeten
und die Strafen begannen,
als die Hemmschwellen
uns über den Kopf wuchsen
und die Antworten sich festfraßen,
als die Ratlosigkeit empfahl
den Mund zu halten,
als die Inhaftierungen
abgeschlossen waren
und niemanden mehr rührten,
als die Unterwürfigkeiten
ihren Dienst
rund um die Uhr versahen,
und jeder Tag eine Nachahmung
des Vortags war,
zog die Sprache fort,
es gab ja nichts mehr zu denken.
Meldung machen
Auf Rauchsäulen achten,
sagt die Feuerwehr, bei
Verkehrsunfällen Meldung
machen, wo, wann, wie viele,
Bericht geben, alle
Zeugen bitte melden, Achtung,
melden die Nachrichten,
das Wetter schlägt ein,
Wasserstände melden, den
Anweisungen der Feuerwehr
folgen. Sich anmelden beim
Wohnungsamt. Auskunft geben.
Er sie hat gesagt
melden die Nachbarn,
Anzeigen ist eine Pflicht
sagt die Kriminalpolizei,
die Zeitungen melden auch,
allzeit bereit, spricht das
Ordnungsamt, für eine
saubere Innenstadt, auf
zum Rapport, sagt
das Militär, die Regierung
gibt bekannt, Bürger
sei wachsam, Staatsfeinde
überall, Ausschau halten,
du Rauchsäule, sagt
die Geheimpolizei.
Ralf Burnicki (geb. 1962) lebt in Herford (Deutschland, Nordrhein-Westfalen) und ist Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller*innen (VS), in der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik (Leipzig) sowie Mitherausgeber des Literaturmagazins „Tentakel“. Veröffentlichungen z.B. in Sterz (Graz), Die Novelle, Kein Firlefanz, Phobi, Poesiealbum neu, Der Maulkorb, Haller, Dreischneuß, Karussell, SFD (Wien), Jahrbuch der Lyrik u.a.. Diverse Gedichtbände, darunter „Die Wirklichkeit zerreißen wie einen misslungenen Schnappschuss“ (2000), „Die Straßenreiniger von Teheran“ (2004), „Zahnweiß“ (2007), „Hoch lebe sie – die Anarchie“ (2014), „Der Sound von OWL“ (2016), zuletzt „Lichtaspirin“ (2022).
»Was den Autor auszeichnet, ist eine intelligente Verknüpfung von sprachlicher Virtuosität mit politischem Inhalt. Wer glaubt, das politische Gedicht sei mit Erich Mühsam, Bertold Brecht oder Erich Fried ausgestorben, wird hier auf höchst lebendige Weise eines Besseren belehrt« (Junge Welt).
Kontakt:
Mail: burnicki@yahoo.de
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