Erlauben

Anke Meer für #kkl24 „Erlauben“




Ich atme ein, ich atme aus. Stehe am Fenster und lasse sie tränen. Die Tränen an deinem Geburtstag. Ich halte sie aus, wie sich mich des Besseren belehren. Sie wissen immer alles besser. Die Tränen. Ich könnte die Spülmaschine ausräumen oder die Küche reinigen, statt meine Seele. Ich verweile, weil ich wissen will, wie weit ich in den letzten Jahren gekommen bin im Aushalten dieser Sehnsucht. Noch nie habe ich die Wärme meiner Tränen so auf meiner Wange gespürt. Vermutlich, weil sie diesmal so langsam und leicht über meine Wangen schmerzen. Wieder suche ich den Sinn. Ich könnte so viele andere Sachen machen, als den Sinn meiner Tränen zu erforschen. Immerhin bin ich nicht mehr auf der Suche nach mir selbst. Das ist doch schon mal etwas. Ich könnte den Deckel auf den Becher schrauben oder den dazugehörigen Strohhalm säubern. Ich mag Beschäftigungen, die funktionieren. Es wäre sinnvoller, als am Fenster zu stehen. Meine Tochter wird nachts wieder Durst haben. Oder ich könnte ein Duden lesen, um Worte zu finden, welche mich ins Ziel führen. Tränen erfüllen auch eine wichtige Funktion für die Augen. Sie verbessern das Sehvermögen. Eigentlich sah ich dich immer. Aber ich weiß ja, du warst von Anfang an vergeben. Ich erlaube mir zu weinen und diese Alleskönner kullern zu lassen. Der Baum vor meinen Augen ist kahl wie die Dunkelheit. Tagsüber finde ich immer etwas in diesem Baum. Ich könnte eine Taschenlampe holen oder einfach bis morgen warten. Ich weiß schon heute, dass morgen ein guter Tag wird. Morgen werde ich nicht weinen. Immer wenn ich Bäume sehe, denke ich an Schreibblätter. Ich konnte noch nie ein Blatt an einem Baum als Blatt sehen, ohne an ein Schreibblatt zu denken. Immer frage ich mich ob Äste wie Stifte in Blätter schreiben. Und dann frage ich mich kopfschüttelnd, was ich jetzt brauche, um glücklich zu sein. Ist es wirklich träumen und weinen. Ich frage mich, ob ich einen Kuchen backen möchte oder ob eine Umarmung von meinem Mann mir guttun würde. Ich könnte wenigstens das Küchenlicht anmachen. Meine Tränen sehnen sich nach Schreibblättern. Ich denke an meine Geschichte mit dem Yes Törtchen, welche mir das Leben rettete, als ich vierzehn war und warum ich mir nie selbst erlaubt habe, diese Geschichte in Schreibblätter zu heilen. Vielleicht weil es für andere lästiges Papier sein könnte. Wann höre ich damit auf, an die anderen zu denken. Die Schreibblätter, sie gehören mir ebenso wie meine Tränen und meine Sehnsucht. Was muss passieren, dass ich mir erlaube die Wahrheit meiner Seele auf Schreibblätter zu spiegeln. Ich atme ein. Ich atme aus. Ich bin erwachsen, obwohl es mir scheint, dass im letzten Jahr etwas Unsichtbares meine Geburtstagszahl einundvierzig rückwärts. Nicht jeder Satz muss beendet werden. Es gibt auch ein Alphabet ohne Anfang und Ende. Ein Leben ohne A und Z. Meine eigene Buchstabenfolge. Ich schenke mir ein halbes Glas Wein ein und öffne das Fenster. Es ist klarer Sternenhimmel. Ich gehe in mein Zimmer. Ich möchte meine Tränen zu einem Schreibblatt verwandeln, um es auszuhalten. Liebes Tagebuch. Alles Liebe zum Geburtstag. Ich erlaube mir, an dich zu denken und dir zu gratulieren. Ich weiß du schickst mir keine Nachricht zurück, antwortest mir nicht auf meine Frage, wie es Dir geht. Aber morgen früh ist es hell und ich finde immer eine Antwort in dem Baum vor meiner Tür. So viele Fragen, was mache ich hier und warum führt jedes Blatt zu dir. Ich erwache am nächsten Morgen und kaum habe die Augen offen, hat mir mein Baum schon die Lösung meiner Sehnsucht geweht. Zwischen einigen paar verwelkten Blättern des vergangenem zeigt mir eine weiße Feder den Weg wie wichtig es gestern war, die Wahrheit der Tränen aufzuschreiben. Ich habe mir erlaubt zu fühlen, wie es mir geht. Vergeblich lieben ist anders. Ich halte es jetzt besser aus, dein Vergeben sein.







Anke Meer, 41 Jahre, in Dresden geboren.






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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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