Susan Faber für #kkl25 „Raum“
Die Kommode
Meine Kommode ist das einzige Puzzleteil, das einfach nicht hereinpassen will. Sein Fernseher, sein Tisch, sein Sofa, seine Regale und meine Kommode. Je länger ich sie anstarre, desto stärker unterscheidet sie sich von den anderen Möbeln. Ich lebe seit drei Jahren in Julians Wohnung. Warum ist mir nie aufgefallen, wie merkwürdig meine Kommode neben seinem Sofa aussieht? Seine Regale, sein Couchtisch und sein Fernsehschrank sind hellgrau, das Sofa rot, die Kommode weiß. Grell strahlt sie mir entgegen, blendet mich fast. Ich versuche mich zu erinnern, ob sie in meiner alten Wohnung auch so …
„Schatz? Alles okay?“ Er folgt meinem Blick zur Kommode, runzelt die Stirn, sieht dann zu mir.
„Nein… ich meine ja.“ Ich lächle, durchschneide das unsichtbare Band, dass meine Augen mit der Kommode verbindet und sehe kurz zu ihm und dann zum Fernseher. Wird der Student aus Leipzig die 16.000 Euro Frage beantworten können? Wird er seinen Telefonjoker brauchen? Die Spannung ist kaum auszuhalten. Ich verdrehe die Augen so, dass Julian es nicht sieht. Sein Fernseher ändert sein Programm nie. Montags um 20:15 schaltet er die Sendung ein, bevor ich den Raum betrete. Die Fernbedienung macht Urlaub hinter dem Mond und kommt erst wieder zurück, wenn Günter Jauch den Fernseher verlässt.
Mein Blick wandert durch den Raum, rastet nicht, bis er erneut die Kommode erreicht hat. Sie passt nicht hier herein. Ich könnte ihr einen grauen Anstrich geben, sie an die anderen Möbel anpassen. Über der Kommode hängt ein kleiner Spiegel, in dem ich einen Blick auf meinen kritischen Gesichtsausdruck erhasche. Vielleicht ist die Kommode woanders besser aufgehoben. In meiner alten Wohnung wirkte sie glücklicher.
Susan Faber ist in Bocholt geboren und aufgewachsen. Sie hat in Lüneburg und Mönchengladbach Kulturmanagement studiert. Derzeit lebt sie in Münster, arbeitet an ihrem Debütroman und schreibt Kurzgeschichten.
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