René Gröger für #kkl25 „Raum“
10 000 000 001
…und wenn du
der letzte Mensch
auf Erden wärest.
Ihre Worte schießen
mir durch den Kopf,
als ich spüre,
wie sich meine Füße
langsam vom Boden lösen,
von der Erde,
auf der ich mein
ganzes Leben
gestanden bin.
Ich fühle mich
plötzlich so
leicht und fange
an zu schweben.
Erst niedrig,
dann höher,
ich schwebe über
den Käfern,
den Ratten,
den Katzen,
den Hunden,
den Menschen,
den Vögeln und
ich entferne mich
immer weiter von ihnen.
Straßen verzweigen
sich zu einem dichten
Labyrinth,
Städte verweben sich
zu einem grau betonierten
Netz.
Die Bäume ballen sich
zu Wäldern,
verschmelzen zu
einem grünen Meer,
durchbrochen von Bergen,
gezuckerte Ketten,
begrenzt von blauem,
grauem Wasser
der Ozeane.
Ich unterliege nicht mehr
der Schwerkraft.
Ich fliege nicht,
ich schwebe nicht,
ich falle.
Ich stürze aus
der Erde heraus,
in Raum und Zeit.
Die Erde
unter mir
beginnt zu welken,
sie schrumpft,
Furchen und Falten
aus totem Fleisch.
Der Erdball dreht
sich langsam,
erschöpft und müde.
Der Planet stirbt.
Die Welt vor mir
fällt
in sich zusammen,
fliegt mir um die Ohren.
Es ist, als ob
ein Stück vom Himmel
abgebrochen ist,
mich mitten ins
Herz getroffen hat,
so ziellos, wirr
und voller Schmerz
falle ich in den
tiefen Raum hinein.
Das Nichts ist der
Boden unter meinen
Füßen,
es hüllt mich ein,
wie eine warme Decke.
Der ewige Fall
gibt mir stillen Halt,
in der Leere des
dunklen Raumes.
Ich wache im Fallen,
ich schlafe im Fallen,
ich lebe im Fallen,
ich sterbe im Fallen.
Ich bin nicht
der letzte Mensch
auf Erden,
aber ich bin
der einzige Mensch
im Universum.

René Gröger wurde 1988 in Hamburg geboren. Seit einigen Jahren lebt er in München, wo er als freier Journalist arbeitet. Seit 2019 veröffentlicht er eigene Kurzgeschichten und Gedichte. 2020 wurde er beim Literareon-Kurzgeschichten-Wettbewerb für seinen Text „Treasure Island“ prämiert. Außerdem gewann er den PERGamenta Literaturpreis für seine Kurzgeschichte „Heimatwärts“.
Über #kkl HIER