Zitrone

Marie Ch. Behrendt für #kkl26 „Säen und Ernten“




Zitrone


Ich wollte, du schenktest mir eine Zitrone

aus dem Garten deiner Eltern

die ich gesellen kann

auf sonnenbeschienenen Tischen

zu Apfel, Feige und Melone


Doch was will ich mit einer Zitrone

als Erinnerungsstück

die du mir nur brächtest

weil ich es so sage

Allein sein kann ich auch ohne




Mein Garten


Von Anfang an säte ich Zweifel

Ob du mir würdest genügen

Ich pflügte durch all deine Taten

Und durch das, was du unterließt

Und mit Mühe, Licht und Wärme

Wuchs auch in all seinen Farben

Der Mangel

An Verstand und Vertrauen

Und an Süße und Leichte

Bis du ernten kamst und entschiedst

Dass ich dir nicht mehr reichte




Gemüse


Sellerie

Ich denk an dich

Und wie

Das Gemüse bei dir schmeckt




Universalisiert


Die Bäume fallen die Blätter

Bläser blasen das Laub das

Harken harken zu Haufen

Der Mensch arbeitet


Die Wolken schneien den Schnee

Kälte kühlt die Fenster vor denen

Hirne nachdenken zur Nacht

Der Mensch schläft


Die Sonne wonnt die Gesichter

Beine beinen die Leiber deren

Bäuche körpern zum Kind

Der Mensch liebt


Die Felder wachsen die Ähren

Drescher dreschen das Korn das

Stuben backen zu Brot

Der Mensch isst




Im neuen Jahr


Meine Äpfel tragen deinen Namen

unsere Treffen Früchte

Ich befürchte, ich könnte dich lieben

So wie ich den Granatapfel liebe

und alles, für das er steht

Dafür, dass die Weisheit rot ist

Für Erneuerung

Für das Leben

Mein Geschlecht


Doch Granatäpfel gab es keine

Und so liegen hier

Zwiebeln, Rüben und Sellerie,

Den du liebst, weil er schmeckt

Wie schnell ist die Einsamkeit vergangen

Als ich wusste, ich koche nicht für mich alleine


In deiner Küche hat das Vertraute

einen faden Geschmack

Vor ihrem Weiß scheinen

gartengepflückte Mangos, Avocados

ausgesucht von deiner sommergesprossten Hand,

Bananen vom Wegesrand


Bei jedem Gericht,

vor dem wir sitzen,

erkunden meine Zweifel

dein über den Teller gebeugtes Gesicht

Dein Kuss

Wie lang könnte er schon munden





Marie Ch. Behrendt

m-behrendt@freenet.de

Koordinatorin für Jüdische Studien, Universität Potsdam

Forschungsarbeiten erschienen u.a. in den Verlagen DeGryuter, Mohr-Siebeck, edition text+kritik und Wehrhahn. Gedichte „Die Wäsche“ (2019), „Zählen“ und „Zahnbürste“ (2022) veröffentlicht im Magazin Radikarla (Göttingen). Derzeit Arbeit am deutsch-israelischen Gedichtband „TLV-BER“.






Über #kkl HIER

Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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