Das Hochbeet

Katrin Streeck für #kkl26 „Säen und Ernten“




Das Hochbeet

Langsam rollte sie über den Gartenweg an ihr Hochbeet heran.

Die Morgenluft war frisch, aber der Frost war seit drei Tagen verschwunden. Auf ihrem Schoß lag ein Stoffbeutel, in dem sie einige Samentütchen und Blumenzwiebeln verstaut hatte. In der Seitentasche am Rollstuhl steckten eine kleine Schaufel, eine Harke mit kurzem Stiel und ein Pflanzstab.

Sie blieb an einer Seite des quadratischen Beetes stehen und atmete tief ein und aus.

Nackte schwarze Erde lag vor ihr und wollte Samen und Zwiebeln aufnehmen. Sie griff in die Erde und prüfte sie. Sie war locker, aber auch gut durchfeuchtet.

Zufrieden sah sie sich um.

Vor zwei Jahren, vor diesem schrecklichen Unfall, hatte sie noch alle ihre Beete selbst umgegraben und bepflanzt, hatte Unkraut gezupft, Sträucher beschnitten und den Rasen gemäht.

Das war vorbei.

Als sie aus dem Koma erwacht war, als sie merkte, dass sie gelähmt war, war ihr erster Gedanke: Was wird aus unserem Garten? Sie hatte immer Wert darauf gelegt, dass er gepflegt war. Ihre Freundinnen bewunderten sie immer für ihre akkurat angelegten Gemüsebeete, ihre wunderschönen Rosen und ließen sich Tipps für die Gestaltung ihrer eigenen Gärten geben.

Aber niemand hatte diesen „grünen Daumen“ wie sie.

Das war alles auf einen Schlag vorbei.

Sie weinte nicht. Sie war ganz ruhig. Innerlich erfroren.

Ihr Mann versuchte sie aufzumuntern.

„Schatz, du wirst wieder gesund. Ich baue das Haus um. Du wirst dich zurechtfinden. Du schaffst das.“

Zurechtfinden, dachte sie. Mein Garten, was wird aus ihm?

Ihr Mann spürte, dass sie sich aufgeben wollte. Er sprach mit ihrer behandelnden Ärztin und mit den Krankenschwestern.

„Ihre Frau braucht jetzt einen Halt“, sagten die.

Er überlegte. Dann fiel es ihm ein.

Er lief durch den Garten, besah sich die Wege und die Beete. Dann recherchierte er im Internet und stieß auf das Thema Hochbeete. Er zeichnete, entwarf Skizzen, rechnete die Maße aus.

Dann ging er zu seiner Frau ins Krankenhaus.

„Schau mal, Schatz, was hältst du davon? Du kannst deinen Garten doch nicht im Stich lassen, hör mal!“

Er legte ihr die Zeichnungen und eine Gartenzeitschrift auf das Bett. Erst sah sie nicht hin. Dann doch.

„Was ist das?“, flüsterte sie.

„Hochbeete!“ Ihr Mann strahlte sie an. „Wir gestalten den Garten so, dass du ihn bewirtschaften kannst. Ich habe nicht die Absicht, auf dein leckeres Gemüse und die frischen Kräuter zu verzichten!“ Jetzt grinste er.

Sie sah ihn an, dankbar und hoffnungsvoll.

„Du meinst, das kann ich?“

„Klar kannst du das!“

Sie gewann neuen Mut. Allmählich wurde sie aktiv, machte die anstrengende Physiotherapie mit, fuhr zur Reha-Kur.

Weihnachten war sie wieder zu Hause.

Ihr Mann hatte vieles im Haus verändert, damit sie sich zurechtfand und mit dem Rollstuhl überallhin konnte.

Sie sah aus dem Küchenfenster und entdeckte die ersten beiden Hochbeete.

„Das können noch mehr werden“, sagte er. „Nimm dir Zeit, probiere es aus. Du musst mir sagen, wie du es gerne hättest.“

Sie sagte: „Auf jeden Fall will ich Blumen! Und Küchenkräuter. Kohlrabi, Radieschen!“

„Na sicher! Du wirst sehen, dein Garten wird wie immer der schönste sein!“

„Na, na!“ Sie lachte. „Er wird anders sein. Ich freue mich schon so auf das Frühjahr!“

Sie warf einen Blick in den verschneiten Garten auf die quadratischen hölzernen Hochbeete, die dunkel aus dem Schnee ragten.

Und nun war Frühjahr und sie würde das erste Mal ein Hochbeet bestellen, würde säen und pflanzen.

Sie streckte ihr Gesicht der Morgensonne entgegen.

Ich bin noch da, dachte sie. Hallo, Garten!






Gartenkresse

Das Kind war ungnädig. Es regnete seit Tagen und es konnte draußen nicht spielen. Außerdem hatte es Schnupfen und Husten, ein typischer Frühjahrsinfekt.

Die Oma hatte die Betreuung übernommen, denn der Kindergarten wollte das Kind nicht aufnehmen.

Ein quengelndes, sich langweilendes Kind, das wollte Oma nicht akzeptieren.

„Weißt du was, sagte sie zu dem Vierjährigen. Ich habe Lust darauf, Gartenkresse auf der Fensterbank zu züchten. Die schmeckt so gut auf Butterbrot und ist sehr gesund. Hilfst du mir?“

Das Kind schaute interessiert.

„Was ist Gartenkresse?“, fragte es.

Oma holte ein kleines Tütchen aus dem Küchenschrank und schüttelte es in der Hand, dass es raschelte.

„Guck dir mal das Bild auf der Tüte an“, sagte sie.

Das Kind sah ein dichtes grünes Gewimmel mit zarten Blättchen.

„Kresse schmeckt ein bisschen scharf, aber wirklich gut, auch im Quark“, sagte sie. „Da sind Vitamine drin, die halten uns gesund. Gut gegen so olle Frühjahrserkältungen!“, sagte sie bedeutungsvoll.

„Na was ist, wollen wir anfangen?“

„Ja!“, rief das Kind.

„Als erstes suchen wir uns mal ein paar Gefäße. Ich hätte da noch angeschlagene Tassen ohne Henkel. Ich weiß gar nicht, warum ich die aufgehoben habe. Hmm, die nehmen wir. Und wenn wir heute Mittag beide Eierkuchen essen, könnten wir die Eierschalen dazu nehmen.“

„Ja, Eierkuchen!“, rief das Kind.

„Gut, wir schlagen die Eier auf und waschen die Ĕierschalen sauber ab.“ Gesagt getan.

Dann die beiden kaputten Tassen dazu geholt.

Oma holte Watte aus dem Bad.

„Nun zupf dir mal Watte aus der Tüte und verteile sie schön in den Tassen und den Eierschalen.“

Sie hatten von drei Eiern fünf Hälften. Eine war leider beim Abwasch zerbrochen.

Das Kind arbeitete fleißig. Oma riss das Samentütchen auf und schüttete die Samen auf einen Unterteller.

„Schau mal, wie klein sie sind.“

„Sehr klein“, sagte das Kind.

„Genau richtig für kleine Finger“, sagte Oma.

„Nimm dir mal ein paar Samen zwischen die Finger und streue sie in die Watte. So!“, sie machte es vor.

„Ich!Ich!“, schrie das Kind.

„Natürlich du, wer sonst?“ Oma überließ die Samen dem Kind.

Das Kind säte.

„Prima. Jetzt müssen wir noch ganz vorsichtig die Watte begießen. Pflanzen wachsen im Regen, und im Haus muss man eben eine kleine Blumenkanne nehmen.“ Oma hatte eine mit feiner Tülle.

Das Kind begoss den Samen.

Jeden Tag schauten sie nun, ob die Kresse gedieh. Nach drei Tagen zeigten sich die ersten Sprosse. Nach einer Woche konnten sie kosten. So scharf und lecker!




Mein Name ist Katrin Streeck. Ich wurde am 29. Mai 1963 in Greifswald geboren.

Ich schreibe leidenschaftlich gern Texte, die mit Humor gewürzt sind, und befasse mich mit historischen und philosophischen Themen.

Ich wurde in vier Anthologien aufgenommen.

Berufesterben

Herber Herbst

Seelenheimat

bei: Textgemeinschaft, epubli, Berlin.

Tag am Meer, Baltrum Verlag






Über #kkl HIER

Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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