André Hénocque für #kkl26 „Säen und Ernten“
Der Geburtstag
Heute war sein Ehrentag. Ein runder Geburtstag. Er erwartete viele Gäste und natürlich seine Kinder. Reden werden erwartungsgemäß gehalten, Lob und Anerkennung seiner Lebensleistung hervorgehoben, sowie die Urkunde der Ehrenbürgerwürde seiner Stadt überreicht werden. Der Wohntrakt war festlich geschmückt, die Tische mit weißem Leinen und bestem Porzellan warteten auf die ausgesuchte Schar der Gratulanten.
Der alte Herr saß im dunklen Anzug aus feinstem Tuch auf der Terrasse und zog an einer Havanna. Seine Gedanken gingen weit zurück bis zum Tag seiner Hochzeit mit Anna. Sie war schon lange nicht mehr. Manche behaupteten, dass der Kummer sie früh ins Grab getrieben hätten. Er konnte sich nicht erinnern, dass sie jemals geklagt oder mit irgendeiner Sorge zu ihm gekommen wäre.
Er hatte sie geliebt. Zumindest in der ersten Zeit. Ihre Mitgift war das Startkapital für sein Bauunternehmen gewesen und er hatte, weiß Gott, etwas daraus gemacht. Schon bald waren sie in die Villa gezogen und sie hatte ihm drei Kinder geschenkt. Wieso schenken Frauen den Männern Kinder? Warum nicht umgekehrt? Schließlich sind beide daran beteiligt.
Er zündete die Zigarre erneut an. Die Firma war sein besonderer Stolz. Er musste auch Konkurrenten aus dem Feld schlagen, wobei die Wahl der Mittel
dem gewünschten Erfolg angepasst wurden. Viel Feind, viel Ehr‘. Er hatte dafür gesorgt, dass er immer Sieger blieb. Diese Maxime hatte er auch seinen Nachkommen mitgegeben. Sie waren auch die Ersten, die sich seinem Willen unterwerfen mussten, denn schließlich wusste er, was das Beste für sie war.
Der Erstgeborene sah seiner Mutter sehr ähnlich, nicht nur in der Weichheit seiner Züge. Mein Gott! Ein Weichei, ohne Mumm, eine Künstlerseele. Da war seine Mühe vergebens gewesen. Die finanzielle Unterstützung hatte er bald gestrichen. Der Maler hauste in einem Loch mit seinem Geschmiere. Solche Werke kaufte doch kein Mensch. Trotzdem hatte er ihn eingeladen, wobei er darum gebeten hatte seine Muse und die Nachkommenschaft nicht mitzubringen. Wie hätte er das dem Bürgermeister erklären können? Besser der Junge blieb unsichtbar im Hintergrund.
Aus der Zweiten hätte etwas werden können. Ja, wenn sie sich nicht während des Studiums in linken Kommunen aufgehalten hätte. Sie war durch die dort erhaltene Gehirnwäsche völlig verdorben worden. Sie hatte wirklich die Frechheit besessen, ihm Vorwürfe zu machen, seine Handlungen zu kritisieren,
Pamphlete gegen ihn zu unterschreiben und jegliche finanzielle Zuwendung abzulehnen. Sie zog es vor in einem Imbiss zu arbeiten und Migrantenkindern, die in den von ihm erbauten Mietskasernen wohnten, kostenlosen Unterricht zu geben. Als ob sie unbedingt fehlerfreies Deutsch benötigten. Allerdings hatte er für diesen Tag seinen Ärger vergessen wollen und ihr eine förmliche Einladung geschickt mit der Bitte bei einer Schneiderin ein der Feier entsprechendes Kleid auf seine Kosten machen zu lassen. Hoffentlich war sie in diesem Fall auch so bescheiden wie sonst.
Allein der Jüngste gibt Anlass zu Freude. Er ist politisch engagiert, konservativ- national, liebt sein Vaterland und hat die rechte Gesinnung. Er wird einmal in meine Fußstapfen treten. Er hat mich vertreten, als ich wegen der Prostata operiert werden musste. In den paar Tagen hatte er aufgeräumt: Mitarbeiter entlassen, auch wenn sie bereits seit Jahren im Unternehmen waren, Privilegien der weiblichen Belegschaft abgeschafft, Kantine geschlossen und kostenlose Parkplätze gestrichen. Dadurch hatte er die Kosten um fast 10% gesenkt. Man sagte ihm nach, dass er über Leichen gehe. Das halte ich für stark übertrieben, obwohl es im Zuge seiner Maßnahmen zu einige Selbsttötungen gekommen sein soll. Profit und Macht geht ihm über alles. Für seine schwachen Geschwister hat er nur Verachtung übrig. Er will an die Spitze und wird auch dahin kommen. Nur noch wenige Jahre und er wird das Zepter übernehmen. Wehe unseren Konkurrenten! Er wird sie hinwegfegen und vernichten.
In weniger als einer Stunde würde das Fest beginnen. Er hörte wie die Tür geöffnet wurde. Das musste sein Jüngster sein. Er war auch diesmal der Erste. Seltsam, dass er den unverkennbaren Sound des Sportwagens nicht gehört hatte.
Er vernahm die leisen Schritte, die sich seinem Sessel näherten. Er tat so als höre er nichts. Sicher wollte ihn der Bursche überraschen. Er war gespannt, welches Geschenk er sich ausgedacht hatte. Sicher etwas für ihn Typisches und Unerwartetes. Seine Augen weiteten sich als die Schnur sich fest um seinen Hals legte. Er verschied in kürzester Zeit.
Wer Wind sät, wird Sturm ernten.
André Hénocque
Geb. 29.08.1948 in Hagen/Westf.
Verheiratet, 3 Kinder, 5 Enkel
Rentner, früher Industriekaufmann
Publiziert: 4 Kurzgeschichten in Anthologien
Mehrere Kurzgeschichten und Gedichte
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