Carin Schlosser für #kkl26 „säen und Ernten“
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
Weiß der Samen im Bauch der Mutter, was aus ihm wird?
Ein Mann? Eine Frau? Ein Handwerker? Ein Künstler?
Ein rechtschaffener Mensch? Ein Verbrecher?
Nein, er weiß es nicht.
Weiß das Saatkorn, das der Erde anvertraut,
was aus ihm wachsen soll? Ein Baum? Eine Blume?
Eine Pflanze, die den Menschen Nahrung verschafft
oder das sie verächtlich „Unkraut“ nennen?
Nein, niemand weiß, was aus ihm werden soll,
nicht der Samen im Bauch der Mutter,
nicht das Saatkorn in der Erde,
auch nicht das neue Leben, das in ihnen keimt.
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“,
hat ein Dichter einst gesagt.
Worte, die für jedes neue Leben gelten,
so auch für mich.
Doch danach wird es schwer.
Da ist so vieles, was hindert und hemmt.
Da ist so viel Neid und Hass – überall auf der Welt.
Ich spüre es und es tut weh,
aber ich weiß ja,
viele Menschen sind eben so und das Leben auch.
Kaum erblüht, bin ich schon am Welken.
„Ist es nicht viel zu früh?“ frage ich,
aber ich bekomme keine Antwort.
Die Natur gibt keine Antworten.
Sie entscheidet und handelt, das ist ihr genug.
Ich nehme also Abschied. Und es ist gut so.
Was ich geben konnte, habe ich gegeben:
Liebe, Sorge und Freundschaft.
Ja, auch das gibt es auf der Welt,
auch so sind die Menschen.
Nein, ich will mich nicht beklagen,
dass ich gehen muss.
Ich lege noch ein neues Saatkorn in die Erde
und hoffe, es wird blühen und gedeih’n.
Dann wird es einen neuen „Anfang“ geben,
dem ein „Zauber“ innewohnt.
Carin Schlosser, geboren 07.07.1944 in Rosenheim/Obb.
Gedichte, Balladen und Kurzgeschichten Erschienen in div. Literaturzeitschriften und Anthologien. 6. Bad Wildbader Kinder- und >Jugendbuchpreis
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