René Oberholzer für #kkl26 „Säen und Ernten“
Symbiose
Als er einen Nachbarn beschimpft
Geld gestohlen
Und einem Huhn den Kopf umgedreht hatte
Sagte die Mutter
Der würde so was nie tun
Ich kenne meinen Sohn
Als er eine Bank überfallen
Eine Geisel genommen
Und eine Frau erschossen hatte
Sagte die Mutter
Der würde so was nie tun
Ich kenne meinen Sohn
Als der Sohn vor Gericht stand
Und gefragt wurde
Ob seine Mutter ihn verraten würde
Sagte der Sohn
Die würde so was nie tun
Ich kenne meine Mutter
33 Grad im Schatten
Sie lachte wie eine leichte Sommerbrise
Der Mais stand hoch und bot Schatten
Im Maisfeld konnte man sich verlieren
Irgendwo in der Mitte blieben wir stehen
Sie öffnete ihre Bluse und legte sie ab
Ich schaute sie an und lächelte
Sie öffnete ihren BH und legte ihn ab
Ich küsste sie wie ein Anfänger
Sie war die Tochter des Nachbarn
Dessen Maisfeld kannte ich schon
Unsere Väter verstanden sich nicht
Ein früherer Rechtsstreit um Land
Sie zog mein T-Shirt aus und lächelte
Und das bei 33 Grad im Schatten
Rosis Zunge war die einer Göttin
Ihre warmen Brüste schwitzten
Plötzlich hörte ich einen Traktor
Es war der Traktor meines Vaters
Ein Maisfeld hat in der Regel 4 Seiten
Manchmal ist das nicht genug
Spiessig
Keine Hausschuhe
Sagte er
Und keine Vorhänge
Und keinen Fernseher
Alles zu spiessig
Keine Geburtstage
Sagte er
Und keine Blumen
Und keinen Wein
Alles zu spiessig
Keinen Christbaum
Sagte er
Und keine Lieder
Und keine Kerzen
Alles zu spiessig
Keinen Sex mehr
Sagte sie später
Und keine Liebe
Und keine Zukunft
Alles zu spiessig
Das Geschäft
Sie hat ihren Garten
Mit Männern angepflanzt
Wenn sie blühen
Wird sie die Männer pflücken
Wenn sie kompostiert sind
Wird sie die Erde verkaufen
René Oberholzer
e-mail: rene.oberholzer@bluewin.ch
homepage: http://www.reneoberholzer.ch
wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ren%C3%A9_Oberholzer
Lebt und arbeitet seit 1987 als Oberstufenlehrer, Autor und Performer in Wil/Schweiz.
Schreibt seit 1986 Lyrik, seit 1991 auch Prosa.
War Mitbegründer der literarischen Experimentiergruppe „Die Wortpumpe“ (mit Aglaja Veteranyi), ist Mitbegründer der „Autorengruppe Ohrenhöhe“, Mitglied der Autoren der Schweiz (AdS) und des Zürcher Schriftstellerverbands (ZSV). Erhielt 2001 den Anerkennungspreis der Stadt Wil für sein literarisches Schaffen und 2022 den 23. Nahbellpreis des G&GN-Instituts in Düsseldorf für das lyrische Gesamtwerk.
Publikationen:
„Wenn sein Herz nicht mehr geht, dann repariert man es und gibt es den Kühen weiter“ (39 schwarze Geschichten) (2000), Verlag Im Waldgut in Frauenfeld.
„Ich drehe den Hals um – Genickstarre“ (92 Gedichte) (2002), Nimrod-Literaturverlag in Zürich.
„Die Liebe wurde an einem Dienstag erfunden“ (120 Geschichten) (2006), Nimrod-Literaturverlag in Zürich.
„Kein Grund zur Beunruhigung“ (236 Gedichte) (2015), Driesch Verlag in Drösing.
„Sehnsucht. Mit Weitblick“ (80 Gedichte) (2020), Klaus Isele Editor in Eggingen
„Das letzte Stück vom Himmel“ (80 Gedichte) (2021), Klaus Isele Editor in Eggingen
Gedichte und Kurzgeschichten in Anthologien, Zeitungen, Literaturzeitschriften und Online-Portalen im gesamten deutschsprachigen Raum (über 3000 Einzeltexte). Einzelne Texte sind auch ausserhalb des deutschsprachigen Raums übersetzt und veröffentlicht worden.
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