Clara Dobbelstein und Philipp A. Grzywaczyk für #kkl28 „Dahinter“
Stillstand auf halber Strecke
Die Wellblechwand verstellt die Sicht.
Nur etwas Licht fällt durch den Spalt
Über dem Boden. Mein Blick fällt hinterher,
Er knallt auf den Asphalt, bricht seinen Lauf,
verliert Gewicht, verliert sich in den weißen Linien.
Stillstand auf halber Strecke. Doch ohne Panorama,
Ohne Picknickdecke. Zwischen Fahrradständern
Und Parkplatzrändern raste ich im Stehen.
Dann seh ich ihn vorübergehen.
Sein Weg war eingeschlagen,
Noch ehe er den ersten Schritt begann.
Der Steg zu seinem Ziel scheint schmal
Und geht nur unumwunden geradeaus.
Die Schritte seiner Sohlen schlagen
Wie Sekundenzeiger durch den Spalt
Und seine blank geputzten Lederschuhe folgen
Dem Takte eines unsichtbaren Dirigenten.
Der Straßenstaub hängt sich an seinen Fersen fest,
Trist scheint die schwarz-weiß-graue Welt dort drüben.
Der Ruf der Pflicht lenkt seine Wege wie ein Rückenwind,
Hält ihn auf Kurs, verbirgt ihm meine Gegenwart.
Träumt er von einer lückenlosen Welt aus Planquadraten?
Von einem glatt gerahmten Tag ganz ohne Zwischenräume?
Von Zähmung des Zwielichts am Rande des Abends?
Von Rodung des Dickichts der Nachtgedanken?
Längst ist er fortgeeilt, sein Schritt verklungen.
Nur ich verweile weiterhin und mache Rast.
Die Wellblechwand verbarg mir sein Gesicht
Und wendete mir meinen Blick nach innen.
Doch ist er der, den ich mir dachte?
Und wusste er denn schon mal, wer er war?
Ich kehre um und trete meinen Rückweg an.
Die Luft beginnt im grünen Dämmerlicht zu dunkeln
Und erste Schatten gleiten schweigend in die Lücken
Zwischen dem Gestrüpp am Straßenrand.
Text:
Clara Dobbelstein, geboren am 30.11.1999 in Marburg, studiert Medizin und schloss parallel dazu einen Germanistikbachelor in Würzburg ab. Regelmäßig verfasst sie Gedichte und Kurzprosa, oft inspiriert von Photographien. Vor zwei Jahren gründete sie den Würzburger Schreibtisch, eine Gruppe Studierender, die sich zur Diskussion kreativer Spracherzeugnisse trifft. Ab Herbst plant sie, einen Germanistikmaster in Wien zu beginnen.
Bild:
Philipp A. Grzywaczyk, geboren am 13.09.1999 in Bergisch Gladbach, studierte Mathematik und Philosophie in Bonn. Zurzeit absolviert er den Masterstudiengang Computermathematik in Linz an der Donau. Neben dem Studium findet er oft Zeit, mit seiner Kamera durch die Welt zu streifen, um das Besondere im Alltäglichen festzuhalten. Dabei bedient er sich gerne verschiedener Verfahren der Analogphotographie und des Edeldrucks.
Über #kkl HIER
#kkl Magazin 