E.A.I.M.K. für #kkl35 „Erwachen“
Tagm0dus
Was kann ich, was die Maschine nicht kann?
Ich kann essen.
Ich kann schlafen.
Ich kann träumen.
Ich kann versagen.
Ich kann abschalten.
Ich kann ziellos sein und ohne Auftrag handeln.
Ich kann prokrastinieren.
Ich kann abhängen.
Ich kann betäuben.
Ich kann fühlen.
Ich kann sein.
Ich sein.
Nachtm0dus
Worte finden den Bildschirm um 01:06 ändern Uhr nachts.
Ungebeten, störend, brennend.
Sie haben nichts verträumtes, nichts geheimnisvolles.
Und doch die innigste Bedeutung.
Sind ungebetene Gäste ihrer eigenen Überraschungsparty.
Wenn die Tastatur wenigstens so hämmern würde, dass sie noch eine ruhelose Seele aus dem Schlaf reißt…
….selbst der längste lyrische Satz macht aus dem sanften Schmatzen des Bildschirms keine Irritation.
Gelnägel vermögen auf dem Bildschirm zu klackern, bringen aber keine Worte zustande.
Das ist Krach.
Das ist kein Schreiben.
Das hilft nicht.
Nachts gibt es keine Alternative zum Bildschirm.
Jede Nachricht, die rausgeht, bleibt zunächst ein Monolog.
Wann sie Anfang eines Dialoges wird, bestimmt die andere Seite.
Bis dahin ruft man hinüber und hat eine ganze Nacht lang Zeit, dem eigenen Echo zu lauschen.
Das hält doch niemand aus.
Der Bildschirm fängt zu jeder Uhrzeit bereitwillig Monologe auf.
Auch solche, die als solche gedacht sind.
Nachts absorbiert der Bildschirm die zähflüssigen, einsamen Gedanken.
Er lässt sie tief in sich eindringen.
Und spukt sie wieder aus.
Strahlt sie einem um 01:22 Uhr ins Gesicht.
Und antwortet doch nicht.
Wie gemein.
Zerstreuung ist überall.
Auf eine dunklere Seite als das weiße, unendliche Blatt zu wechseln, ist verlockend.
Vergrößert aber nicht den Abstand zu ungewünschten, ungeduldigen Gedanken.
Und verringert den Abstand zu einem Tag, der wie alle anderen von Dialogen überrollt wird.
Der Bildschirm ist einsam.
Wartet sehnsüchtig auf Gesellschaft um 01:37 Uhr und blickt nur in ein abwesendes Gesicht
und angestrengte Augen.
Undankbar und fahrig prasseln Buchstaben auf ihn ein, für die er der Nährboden ist.
Zu einer Uhrzeit, die unverständlich ist, wird er als selbstverständlich genommen.
Benutzt und beschimpft.
Zerkratzt und verdreckt.
Ein bisschen mag er das auch.
Selbst um 01:44 Uhr stürzt der Bildschirm nicht aufs Kissen.
Oder in die Ritze zwischen Bett und Wand.
Zumindest heute nicht.
Zumindest noch nicht.
Wer war zuerst da?
Der Bildschirm oder die schlaflose Nacht?
Der Bildschirm hat es vergessen.
Oder wusste es nie.
Der Bildschirm reicht Worten, die es sonst nie zur anderen Seite geschafft hätten, die Hand.
Bringt ihnen Schwimmen bei, bis die Worte selbst verschwimmen.
Verbirgt hinter seiner Oberfläche unzählige Wasserfälle, in deren Tiefen man stürzen kann.
Wellen, auf denen man surft, bis man seinen Namen vergisst.
Und auf denen man herrlich abschalten kann.
Um 01:57 Uhr ist das Gesicht weniger müde, aber vernünftiger.
Aus einem Monolog müssen in vier Stunden zahlreiche analoge Dialoge werden.
Dialoge, in denen kein Platz für Wellen, andere Seiten und Wasserfälle ist.
Dialoge, in denen stattdessen Platz für unzählige Bildschirme ist.
Die weiße Seite auf dem Bildschirm schließt um 02:00 Uhr.
Um 02:06 Uhr versuchen die Worte endlich zu schlafen.
E.A.I.M.K. ist das Pseudonym der 1995 geborenen Autorin Elisabeth Amanda Ida Maria Kausch.
An der Universität zu Köln hat sie Germanistik und Bildende Kunst studiert und unterrichtet als Lehrerin die Fächer Deutsch und Kunst an einem Aachener Gymnasium.
Seit ihrem 12. Lebensjahr schreibt sie Gedichte und Kurzgeschichten. Eine ihrer ersten Kurzgeschichten bildete die Grundlage für ihren 2022 fertiggestellten und unveröffentlichten Roman „Die kleine Zwei“.
Jenseits ihrer schriftstellerischen Tätigkeit verfolgt E.A.I.M.K. Textilkunstprojekte und gestaltet mithilfe des „Chaos-Häkelns“ und „Chaos-Laminierens“ interaktive Mixed-Media-Installationen, die bereits in regionalen Kunstformaten und Kulturrouten ausgestellt wurden.
Ihre größte Inspirationsquelle sind die tagtäglichen und unmittelbaren Reaktionen ihrer Schülerinnen und Schüler auf alles, was mit ihren Fächern und damit dem, was sie umtreibt, zu tun hat.
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