Aussicht        

Cora Silja Franke für #kkl35 „Erwachen“




Aussicht                                                                                                     

Schwerkranke Menschen haben immer ein schweres Schicksal.

Manni liegt da, starrt auf die steril weiße Decke. Er sieht seinen Körper von der Seite auf dem Krankenhausbett liegen, dahinter die Tür. Diese langweilige Tür!

Aus seinem Traum aufschreckend, sieht er das Gleiche, nur aus seiner liegenden Perspektive.

Neben ihm sein Zimmernachbar. Der schlafend und laut atmend daliegt, sein Blick Richtung Fenster. Das Gerät, an das er angeschlossen ist, füllt den Raum mit seinem üblichen Surren. Er schreckt hoch und zieht scharf die nach Desinfektionsmittel riechende Luft ein. Sein ängstlicher Blick ist starr geradeaus gerichtet. Er schnappt wiederholt nach Luft. Seine verzweifelten, saugenden Geräusche lassen Manni erstarren. Was soll er tun?

Als könnte er durch seinen, nach Luft schnappenden Zimmergenossen hindurchsehen, blickt er zum Fenster.

Was es dort Draußen wohl alles zu sehen gibt? Sein Zimmergenosse erzählt ihm oft ein paar Ereignisse von der Straße, aber trotzdem möchte Manni es mit seinen eigenen Augen sehen. Fahrradfahrer, die auf dem Fahrradweg ein Wettrennen aus ihrer alltäglichen Situation machen, nur damit es nicht langweilig wird. Was gäbe Er darum sich beim Fahrradfahren zu langweilen?

Er erinnert sich gerne an die Zeit vor dem Krankenhaus, als alles noch schön und frei war. Seine Gedanken kreisen einzig und allein um seinen großen Wunsch, das Fensterbett zu erhalten. Er sieht das von der Nacht schwarz gefärbte Fenster, in dem sich der einzige Kontakt zur Außenwelt spiegelt.

In seinen Wunschvorstellungen versunken, fällt er zurück in einen tiefen Schlaf, zurück in seinen vorherigen Traum.

Er sieht sich nun in dem Bett am Fenster liegen. Durch das Fenster strahlt ihn ein wahnsinnig helles Licht an. Es ist so grell, dass es ihm unmöglich ist, hinauszusehen und etwas zu erkennen.

Am Morgen wacht er auf. Um ihn herum Hektik und er sieht seinen Zimmergenossen unter einem Tuch, tot, erstickt. Ist er wegen ihm gestorben? Hätte er ihn retten können? Schuldgefühle machen sich in ihm breit.

Eine Schwester kommt auf ihn zu und fragt ihn, ob er etwas mitbekommen habe. Er ist jedoch nicht in der Lage zu antworten.

Sein Blick wandert wieder zum Fenster. Deswegen hat er ihn sterben lassen? Sein Wunsch geht in Erfüllung, nun wird er derjenige sein der am Fenster liegen darf.

Zittern am ganzen Körper macht sich breit. Er fühlt, wie Adrenalin in seine Adern steigt. Angst ergreift ihn und er hofft innigst, dass sein Traum der letzten Nacht nicht in Erfüllung gehen wird und er endlich nach draußen blicken kann. So aufgeregt war er seit der Feststellung seiner Krankheit nicht mehr. Mit erwartungsvollen Gedanken wendet er den Kopf mit geschlossenen Augen zum Fenster. Er öffnet gierig nach der neuen Aussicht die Augen.

Keine Straße, keine Fahrräder, keine Wiese, nicht einmal der Himmel ist zu sehen. Nichts. Nichts von all dem, was sein Bettnachbar erzählt hat. Nur eine Hauswand, eine schlichte graue Hauswand. Sofort überkam ihm ein Gefühl, dass er noch nicht kannte. Er wollte zurück in sein Bett. Er wollte davon träumen aus dem Fenster schauen zu können und die fantasievollen Geschichten seines Zimmergenossen hören.




„Mein Name ist Cora Silja Franke und ich bin am 02.11.1998 in Breisach am Rhein geboren. Aktuell studiere ich Heilpädagogik in Freiburg. „Mein Name ist Cora Silja Franke und ich bin am 02.11.1998 in Breisach am Rhein geboren. Aktuell studiere ich Heilpädagogik in Freiburg. 

Die Kurzgeschichte „Aussicht“ entstand ursprünglich zum Thema: „Die beste Geschichte meines Lebens“ im Jahr 2016.“ 






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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Potentialentfaltung und Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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