Armin Bachhuber für #kkl41 „Rasender Stillstand“
Nachtgedanken
Ich bin wach!
Irgendetwas hat mich aufgeschreckt. Der Wecker war es nicht, sonst würde er jetzt noch sein ekelhafter Piep, Piep von sich geben, das mit der Zeit immer schneller und heller wird, wenn man nicht den „off- Knopf“ betätigt.
Noch habe ich die Augen geschlossen, aber könnte ja informationshalber mal einen Blick auf den Wecker werfen, um die Uhrzeit zu erfahren.
Ich denke nach: Der Energieaufwand des Augenöffnens und des Blickwerfens ist derzeit nicht effizient, da die Uhrzeitinformation im Moment eher zweitrangig ist. Primär interessiert, was mich geweckt hat.
Also gefühlt ist es noch Mitten in der Nacht, ich habe gestern Abend weder zu viel gegessen oder zu wenig getrunken um nicht die Nacht, wie gewohnt durchschlafen zu können. Die jetzt durchgeführte Prüfung des Blasendrucks ergibt keine Notwendigkeit, die behagliche Wärme meines Bettes zu verlassen.
Habe ich vielleicht schlecht geträumt?
Etwa einer dieser Fluchtträume, bei denen man einfach nicht vom Fleck kommt, obwohl die Traumsituation eine rasche Bewegung erfordert um nicht überfahren oder gefangen zu werden, zu ertrinken oder auf irgendeine sonstige Art sterben zu müssen.
War es vielleicht die andere Art von Alp, bei denen schwedische Hauptdarstellerinnen einen großen Raum der Handlung einnehmen und bei Erwachen ein Bedauern der mangelnden Realität hinterlassen?
Ich bin wach – vogelwach.
Ist irgendetwas anders als sonst? Ich peile mein Ohr auf die linke Seite zu meiner Ehefrau:
Ruhige tiefe Atemzüge. Nein, das war nicht die Störquelle.
Probeweise tippe ich blind nach links und stupse sie mit dem Zeigefinger an die Schulter. Mit kurzer Verzögerung ertönt ein unwilliges, durch die Nase gezogenes „nnnhhhh“, gleichzeitig schiebt sich ein eiskaltes Bein unter meine Decke.
Sich drehen, etwas zu mir rücken, 2. Bein unter meine Decke und zufrieden schmatzend weiterschlafen ist eine in sich homogene, ohne Absatz getätigte Bewegung, die auf viel Training rückschließen lässt.
Ja eines lässt sich sicher behaupten: Im Bett bin ich ein heißer Ofen …. also als Wärmequelle. Mag es auch noch so kalt sein, unter der Decke bin ich als Wärmflasche kaum zu toppen.
Nehmt das ihr Machos, Influencer und charming Prinzen …. Ätsch!
Das Ganze bringt mich aber in meiner Forschung nach der Erweckungsquelle nicht entscheidend weiter. Irgendwie kommt mir jetzt die „Verwandlung“ von Franz Kafka in den Sinn.
Das Schicksal von Gregor Samsa, dessen plötzliche Verwandlung in ein Ungeziefer die Kommunikation seines sozialen Umfelds mit ihm immer mehr hemmt, bis er von seiner Familie für untragbar gehalten wird und schließlich zugrunde geht.
Na toll, vielleicht bin ich ja heute Nacht gestorben und wurde gerade als Käfer wiedergeboren.
Das wäre ja der Beweis für die Richtigkeit der buddhistischen Lehre – da würden die fundamentalistischen Juden, Christen und Moslems aber richtig blöd aus der Wäsche schauen, wenn’s mit mir bewiesen wäre, dass Sie sich Jahrhunderte lang wegen absolutem Quatsch die Köpfe eingeschlagen hätten.
Ja der Gedanke amüsiert mich ungemein, als wiedergeborener Käfer die Welt zu erschüttern.
Dann wäre es jetzt an der Zeit zu prüfen, ob meine Theorie stimmt und ich tatsächlich der fleischgewordene Gregor Samsa bin?
Wie fühle ich mich? Eigentlich fühle ich mich wie immer. Jetzt weiß ich natürlich nicht, wie sich ein Insekt fühlt, daher komme ich auf diesem Weg schon mal nicht weiter.
In welcher Position befinde ich mich?
Ich liege auf dem Rücken, was als Insekt schon mal problematisch wäre – aber gut, das ist noch kein Argument. Zwar schlafe ich meist auf der Seite, aber man kann ja auch mal auf dem Rücken liegen. Nötigenfalls drehe ich mich einfach. Das wäre jetzt eine Möglichkeit meine Käferexistenz zu überprüfen, denn ein auf dem Rücken liegender Käfer hat ein Problem.
Drehen allerdings wäre jetzt eine körperliche Anstrengung, die ich vielleicht vermeiden kann, wenn ich mich dem Ganzen mathematisch nähere.
Ein Käfer hat 6 Beine. Ich zähle von oben nach unten durch und komme auf 4, denn das 5. geht auch beim besten Willen nicht als Bein durch und das 6. ist schlichtweg nicht vorhanden.
Jetzt gibt es 2 Möglichkeiten: Entweder, ich wurde als Käfer mit Behinderung geboren oder meine Theorie der Wiedergeburt ist falsch.
…. und wo sind meine Fühler? Ha! Erwischt, damit ist es klar… ich bin kein Käfer, bin nicht gestorben und wiedergeboren. Aber wach!
Der Schlaf gilt ja auch als Synonym des Todes und wenn ich jetzt wach bin, vielleicht sollte ich gleich auch mein Leben ändern …. mal nachdenken …..!
Aber warum eigentlich, ich bin doch glücklich. Was aber bedeutet Glück?
In merke wie mich ein philosophischer Anfall beschleicht. Er kriecht heimtückisch in meine, von Volkmusik, Rosamunde Pilcher und Restalkohol betäubte Wutbürgerseele.
Ein hasserfüllter Blick nach links. Meine bessere Hälfte schläft noch immer den tiefen Schlaf der halbwegs Gerechten und bekommt wieder mal gar nicht mit, wie ich, gleich einem Helden des Marvel Universums, die Welt zu retten versuche.
Denn jetzt ist mir eingefallen, was mich geweckt hat:
Die KRISE.
Wie mich das nervt, da könnte ich einen Anfall kriegen. Kein Wunder, dass der Schlaf flieht, wenn die Wut kommt.
So, jetzt ist er da, „der Anfall“ und mein Hirn legt los:
Bald ist es Morgen, dabei ist Gestern gerade erst vorbei.
Schon wieder droht ein neuer Tag.
Kaum ist der letzte vorbei, über den ich mich noch gar nicht genug aufgeregt habe, schon muss wieder etwas Neues her.
Da könnt‘ ich mich doch schon wieder aufregen.
Wo bleibt da die Nachhaltigkeit?
Apropos Nachhaltigkeit, was für ein schönes Wort und auch so modern und aktiv. Das klingt nach „grün“ wählen und Intellekt oder Freitag blau machen und Pickelcreme.
„Ich lebe nachhaltig“ – und schon sage ich damit etwas über meinen sozialen Status aus, während ich versuche das gummiartige Etwas, genannt Veggie Burger meinem Unterbewusstsein als „lecker“ zu suggerieren.
Da lasse ich extra meinen SUV stehen und fahre mit dem E Bike in den Bio Laden und muss mich dafür auch noch selber loben! Na sauber.
Ich probiere ja wenigstens die „Nachhaltigkeit“, aber was macht dagegen Mutter Natur? Sie macht ständig etwas zur „Vergangenheit“.
Laufend kommt ein neues Jahr, eine neue Woche, ein neuer Tag, eine neue Stunde, eine neue Umweltkatastrophe, eine neue Unterhose und, und, und!
Nicht nur, dass man keine Chance hat, das Alte zu verbessern und zu optimieren, nein, man lässt es einfach sein, nennt es „Gestern“ und nimmt sich schon gleich wieder etwas Neues.
Wäre es nicht besser, die Vergangenheit als Gegenwart nochmal herzuholen und den ein oder anderen Murks jetzt ein bissel besser zu machen um sich im Heute über das Gestern freuen zu können?
Aber das geht ja nicht, denn was „war“, dass „ist“ und kann auch nur im „jetzt“ für die Zukunft bearbeitet werden, was aber die Vergangenheit nicht mehr ändert.
Wer hat sich denn diese naturgesetzliche Sauerei ausgedacht?
Na ja, mit Einsteins Relativitätstheorie, könnte man theoretisch durch die Raumzeitkrümmung in die Vergangenheit reisen.
Ja, theoretisch. Das habe ich schon während meiner Schulzeit nicht verstanden, da könnte ich mich schon wieder aufregen.
Aber mit dem Moment des Aufregens wird das „jetzt“ schon wieder zum „das war’s“, was bedeutet, „Gestern“ liegt auf dem Müllhaufen der Vergangenheit und verwest einfach vor sich hin.
Kein Wunder, das wir so verantwortungslos mit dem „jetzt“ umgehen.
Morgen habe ich ja ein Neues.
„Zeit“ als grausame Richterin, nicht greifbar, da sie uns zwischen den Fingern verrinnt und doch so wertvoll, dass man nicht auf sie verzichten kann.
Dieses „Gestern“ taugt uns dann gerade mal zum Gedenken, um sich im künftigen „Jetzt“ als „Gutmensch“ fühlen zu können, weil man ja daraus lernen kann. Aber sogar das ist manchem schon zu viel.
„Hauptsache, ich habe in Zukunft einen, der Schuld an der Vergangenheit und damit die Verantwortung für meine versaute Gegenwart hat! …. und vielleicht wird ja was erfunden, dass uns alle rettet“
Entspricht das der Mehrheit unserer Gesellschaft? Ich glaube nicht.
Meiner Meinung nach steht‘s noch bedeutend schlimmer.
Ich glaube unsere Gesellschaft besteht in der Mehrzahl aus den nicht optimistischen, gefühlten Verlierern, die sich von den optimistischen Gewinnern und Verlierern einreden lassen, dass sie Verlierer sind.
Also nicht das tatsächliche „ist“ sondern das gefühlte „sein“ prägt die Schichten.
Was die tatsächlich staatstragenden Superfrau*Innen („Superman“ ist jetzt sexistisch und nicht mehr korrekt) alswertendeLeistungsbeschreibungschon mal gar nicht hören wollen, ist die Kombination von Geburt, Netzwerk und Narzissmus.
„Wannst nix derheirats‘d und nix erbst, bleibst arm, bis das’d sterbst“
Der alte Bauernspruch, sollte noch um die Möglichkeit der Geburt in eine „einflussreiche Familie“ erweitert werden, da die entsprechenden Netzwerke heutzutage mit entscheidend sind, um einer Krise die gewinnbringenden Organe herauszuschneiden.
Aber nur kein Neid…. denn der/die/das Erfolgreiche braucht natürlich auch den Optimismus sich selbst zu glauben, dass es „super“ ist.
Nehmen wir jetzt einmal an, ich A.B.
- habe Glück,
- Optimismus und
- auch noch die familiäre Basis eines einflussreichen Umfeldes,
- bin ein Vollpfosten,
- komme aber trotzdem nach oben!
Irgendwann verlässt mich einmal mein Glück und ich habe das Pech, das meine Unfähigkeit offensichtlich wird.
Jetzt muss ich das Glück haben, bereits so erfolgreich zu sein, dass mein Untergang, den Untergang von Vielen zur Folge hätte.
Ich bin jetzt „to big to fail“, und werde damit automatisch unterstützt (Banken, High society, Cosa Nostra, FDP usw.), weil man sich mein Versagen gar nicht mehr leisten kann.
Was folgt: Der Verlierer A.B. bleibt der Gewinner A.B. und ich hätte zum Beispiel als Amerikaner sehr gute Chancen als Präsident zu kandidieren oder (nach einer entsprechenden Operation) als Queen of Pop und „beste Sängerin“ in die Annalen einzugehen!
Apropos Glück, was ist „das Glück“?
Ich bin glücklich verheiratet! Ist das Glück?
Früher hatte ich einen stabilen ca. 3 jährigen, überwiegend glücklichen, Beziehungswechselrhythmus. Dann traf ich im zarten Alter von 42 auf meine jetzige bessere Hälfte und „schwubdiwub“, waren wir 7 Jahre zusammen.
Das bedeutete für meine damalige Zeitrechnung bereits eine 1,5 fache Overtime. Da ich über eine effiziente Grundeinstellung verfüge, kam ich auf die Idee, den drohenden 50. Geburtstag mit einer Hochzeit zu verbinden, weil’s
- eh‘ schon wurscht ist,
- damit 2 Fliegen mit 1 Klappe erschlagen werden und
- ich ja ein großer Romantiker bin.
Um so einen „glücklichsten Tag im Leben“ zu erleben, benötigt man einen entsprechenden Heiratsantrag.
Da ist der Ort, der Zeitpunkt und eine gute Argumentationsfähigkeit extrem hilfreich. Mir war klar, Rosen und Kniefall kann ja jeder, also benötigte ich eine Alternative.
Nach einer überaus anstrengenden Kajaktour legte ich los. Wir lagen verschwitzt und dreckig auf einer Wiese um auszuruhen. D.h. mein Opfer war geschwächt und zu einer spontanen Flucht nicht mehr in der Lage. Dazu kam, dass sie gerne paddelt und sich daher, in dem Moment, in einer mentalen Glücksphase befand.
Ort und Zeitpunkt waren also von mir perfekt gewählt.
Nun an der Argumentationsfähigkeit soll‘s eigentlich nicht mangeln.
„Schatz, weißt du, dass neben der Liebe … Hass, Abscheu und Ekel starke Gefühle sind, auf denen menschliche Beziehungen fußen und dass die Gewohnheit der schleichende Tod jeglicher Romantik ist?
Praktisch der Würgegriff des meuchelnden Lusttäters am Hals der sterbenden Jungfrau“
Die Begeisterung meiner künftigen Ehefrau hielt sich noch in Grenzen, aber ich war auf einem guten Weg.
Als ich auf das Thema zu sprechen kam, dass der Wert des Lebens darin besteht, das es endlich ist und eine Unendlichkeit auch eine völlige Antriebslosigkeit zur Folge hätte, warf sie mir einen zweifelnden Blick zu, weil sie meinen Heiratsantrag mit der Ankündigung eines geplanten Selbstmords verwechselte.
Ich bekam die Kurve, in dem ich dieses Gleichnis auf die Ehe übertrug und den Vorschlag machte, eine Ehe von vorne herein auf 12,5 Jahre (Petersilienhochzeit) zu begrenzen.
Damit hätte man den Effekt, dass die Restzeit immer wertvoller erscheint, wie bei einem Ertrinkenden, bei dem der Restsauerstoff auch immer mehr Bedeutung erlangt.
Komischerweise fiel mir meine zukünftige Ex nicht vor Glück schluchzend um den Hals und hauchte ein romantisches „ja“. Trotzdem sind wir jetzt schon 9 Jahre verheiratet und haben es keinen Tag bereut (also zumindest ich nicht).
Das nenne ich „Glück“ und wenigstens in diesem Bereich ist keine Krise in Sicht.
Apropos Krise ….. ich finde es einfach ermüdend in der Nacht wach zu liegen.
Bevor ich jetzt für lange Zeit einschlafe, möchte ich mit einem Zitat enden:
„Der Mensch ist unglücklich, weil er nicht weiß das er glücklich ist“ (Dostojewski russischer Schriftsteller)
„Mein Name ist Armin Bachhuber, ich wohne in Nürnberg, Deutschland und meine Beziehung zu Österreich begründet sich in meinem Großvater, der in Linz geboren wurde.
Ich schreibe mit keinem professionellem Hintergedanken, sondern eigentlich nur aus Spaß, bzw., weil mir so einiges im Magen liegt, was ich über die Feder wieder hervorwürge.
Auf neudeutsch muss man allerdings die „Feder“ durch „Tastatur“ ersetzen, was ich aber sehr bedauere.“
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