Dr. Stephie Abels für #kkl46 „Traum, Realität, Wirklichkeit“
Christo
Christo trat fest in die Pedale. „In diesem Sommer fällt so viel Regen, dass die Badewanne vollläuft und die Hundehütte absäuft“, sang er, um sich von der Anstrengung abzulenken. Seit vier Stunden war er mit dem Fahrrad unterwegs, und genauso lange regnete es schon. „Ich bin nass wie eine Flunder und platt wie ein Pfannkuchen“, sang Christo weiter.
„Keine Sause ohne Pause, ich sehe eine Hütte, ist sie trocken, ist Pause mit Sausen.“
Die Hütte, die Christo gesehen hatte, war tatsächlich trocken. Er zog seine nassen Sachen aus und trocknete sich ab, breitete seine Decke auf dem Boden aus, kramte seine Vorräte hervor und ließ es sich schmecken. Als er satt war, lehnte er sich an die Wand, und ehe er sich versah, fielen ihm die Augen zu. Er träumte von Sonne und blauem Himmel, von heißer Luft und sandigen Wüsten, in denen sich Kojote und Kaktus Gute Nacht sagten. Der Kojote winkte Christo zum Abschied zu, und der Kaktus krabbelte in seine Arme. Das piekste aber!
„Oh, Entschuldigung“, hörte Christo eine Stimme. „Habe ich dir weh getan?“ Christo schaute genauer hin: Der Kaktus war ein Igel!
„Ich bin ein Esel,“ sagte der Igel, „ich hab dich mit einem Laubhaufen verwechselt.“
„Du piekst, das tut weh,“ wollte Christo sagen.
„Gegen Schmerzen helfen keine Aspirin, nimm diese Mohnblume,“ sagte der Igel. „Sie berührt dein Herz, und schon sind alle Schmerzen weg.“
Als Christo wieder aufwachte, fielen Sonnenstrahlen durch die offene Tür der Hütte auf die Mohnblume in seiner Hand.

Dr. Stephie Abels, Jahrgang 1976, lebt und arbeitet im Herzen des Ruhrgebiets.
Als promovierte Juristin mit altsprachlicher Schulbildung setzt sie sich schon ihr Leben lang mit den verschiedenen Facetten der Sprache auseinander. Sie schreibt beruflich, und sie schreibt privat. In ihren Kurzgeschichten beschäftigt sie sich insbesondere mit der Übersetzung von Emotionen in Worte. Im Mittelpunkt immer: der Mensch.
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