ICH WARTETE AUF WICHTIGE NACHRICHTEN

Kristiane Kondrat für #kkl46 „Traum, Realität, Wirklichikeit“





ICH WARTETE AUF WICHTIGE NACHRICHTEN,  hatte zwei Briefkästen, in beiden mussten an diesem Tag die Nachrichten eintreffen. Die Briefkästen standen in einer geräumigen Halle neben dem Haus, breite Fenster ließen das Licht ein. Es standen schon Leute da, in Grüppchen, plauderten im Flüsterton, wie man es tut, wenn wichtige Nachrichten zu erwarten sind. Alle warteten auf ihre Nachrichten. Jene, die ihre schon hatten, schlichen leise und winkten sich davon.

   Ich schloss meinen ersten Briefkasten auf. Da lagen zwei Briefe, ich nahm sie heraus und eilte zum zweiten. Aus diesem nahm ich einen großen Umschlag, anscheinend hatte ihn jemand persönlich eingeworfen, ich sah keine Briefmarke darauf, nur meinen Namen und die Anschrift. Nahm an, dass weitere kleinere Briefe mit wichtigen Nachrichten darin sein könnten, und öffnete den Umschlag. Nahm einen beschriebenen Bogen Papier heraus und begann zu lesen: “Liebe Lissi,……”. Weiter kam ich nicht, ich wachte auf.

    Ich konnte nicht mehr zurück, konnte nicht erfahren, was in den Briefen stand. Anscheinend hieß ich Lissi, ich wunderte mich nicht darüber. Immer wieder versuchte ich zurückzukommen in den Traum mit dem Haus, der hellen Halle mit den Briefkästen, um meine Briefe zu lesen, so weiter zu lesen, wie ich da gestanden hatte, den Papierbogen in der Hand. Ein Mal wäre es mir fast gelungen, ich war unterwegs nach Hause und wartete an der Haltestelle auf die Straßenbahn. Die kam auch. Kam und fuhr weiter ohne zu halten. Ich war voller Zorn und nahm mir vor, mich bei der Verkehrsgesellschaft zu beschweren. Wollte, sobald ich zu Hause ankomme, dort anrufen. Das konnte ich aber nicht mehr tun, ich wachte auf.          

   Danach versuchte ich wieder und wieder in den Traum hineinzukommen, in dem es die Haltestelle gab, wo ich in die Straßenbahn einsteigen und nach Hause kommen könnte, um endlich meine Briefe zu lesen und mich danach bei den Stadtwerken telefonisch über den Straßenbahnfahrer zu beschweren, der mich das vorige Mal daran gehindert hat, in die Bahn einzusteigen. Diesen Traum aber habe ich mir vermasselt, als ich noch darin lief,

um die Straßenbahn, die angefahren kam, zu erreichen und einzusteigen. Ich war bereits kurz vor der Haltestelle, und  lief,  lief in einen  ganz anderen, abweichenden Traum hinein und sah gerade noch, wie die Straßenbahn im vorherigen Traum ihre Türen schloss und in die von mir gewünschte Richtung, aber ohne mich weiterfuhr.   

   Nachdem ich im vorletzten Traum versehentlich in die falsche Richtung gelaufen und in einen von mir nicht beabsichtigten, neuen Traum hineingelaufen war, verirrte ich mich in  fremden Straßen und war froh, als sich aufwachte. Seitdem versuchte ich nie wieder in jenen Traum zu kommen, in dem ich meine Briefe lesen muss. Ich wollte sie nicht mehr lesen.




Kristiane Kondrat (Pseudonym), geb. am 11. Dez 1938 in Reschitz/Banater Bergland, Rumänien. Studium der Germanistik u .der Rumänistik in Temeswar, Kulturredakteurin bei der »Neuen Banater Zeitung«. Seit 1973 in Deutschland, als freiberufliche Journalistin  (Kultur) für die SZ tätig, liter. Veröff. in: Literaturzeitschriften in Dtl., Österr. und der Schweiz, Anthologien, Beiträge im BR (Hörfunk, Bayern2, Literatur).

Eigenständige Veröffentlichungen (Auswahl):

»Regenbogen«, Gedichte, Jugendverlag Bukarest 1968

Abstufung dreer Nuancen von Grau“, Roman, 1997, Quell Verlag, Stuttgart

„Anastasius und andere Staatsbürger“, Satiren, 2013, Pop Verlag, Ludwigsburg

„Ein großer Buchstabe fällt von der Wand“, Gedichte, 2014, Pop Verlag.Ludwigsburg

 „Abstufung dreier Nuancen von Grau“, 2. Auflage, 2019,  danube books Verlag, Ulm

»Bild mit Sprung, Erzählungen«, 2. Auflage, danube books Verlag, 2021

Ebenfalls im  »danube books Verlag:« Lyrikbuch »Wer tanzt im Niemandsland?«, März 2023.

Preise und Ehrungen:

Förderpreis für Lyrik 2011 der Cité der Friedenskulturen (Lugano)

Bei den Finalisten des Literaturwettbewerbs für politische Lyrik  2009, lauter niemand, Berlin

Bei den Finalisten des 20. Münchner Kurzgeschichten-Wettbewerbs 2016

»Grenzgänger – Grenzgänge«

Publikumspreis für Lyrik der Zeitschrift „Spiegelungen“, 2017, München

Nominierung für den Meraner Lyrikpreis 2022

Interview für den #kkl-Kanal HIER







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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Potentialentfaltung und Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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