Ein Weihnachtsmann für alle

Serafina Campestrini für #kkl47 „Symbolik“




Ein Weihnachtsmann für alle

Hallo Schwester,

Heute ist irgendwie ein anderer Tag für mich, ein anderer Samstag, wobei ich das andere noch nicht einmal genau definieren kann, und schon gar nicht zu erklären weiß.

Manche Dinge muss man wahrscheinlich auch gar nicht erklären, sie passieren einfach, und seien sie ein Märchen, solange wir Märchen empfinden können sind wir doch alle noch voll der Empathie, und aus unseren Seelen strömen wunderschöne Fäden, die sich dann zu einem neuen Märchen verbinden können.

So eines erlebte ich gestern, nach dem Besuch in Salzburg bei meiner Friseuse, die für mich ja auch irgendwie eine Fee ist, diese im Besonderen, sie hat die Fähigkeit die Stimmungen ihrer Kundinnen zu erfühlen, und, mit wachem Blick und professioneller Hand, eine Verzauberung stattfinden zu lassen.

Am Ende fühlt man sich dann selbst als Prinzessin, während über ihr Gesicht ein warmes Lächeln zieht.

Aber an diesem speziellen Freitag wurde nicht nur ich zur Prinzessin, sondern noch einige andere Menschen, die ich später dann in Bad Reichenhall treffen sollte, alle vor einer verfrühten Weihnachtsdekoration, unzählige Weihnachtsmänner der besonders kitschigen Art saßen da schon in vier übereinander gelegenen Reihen, sodass ich mich schon abfällig über diese Anhäufung von Werbung zu dem neben mir sitzenden Mann aus Brüssel äußern wollte, ja bis, ja bis alles ganz anders kam.

Ich schäme mich sogar ein wenig, wenn ich heute an das feine Lächeln der Menschen der Kriegs, oder höchstens Nachkriegsgeneration denke, die da in einem Kaffeehaus direkt vor den Weihnachtsmännern gesessen hatten und offensichtlich in Erinnerungen schwelgten, während sie versuchten, so gut als möglich, ein aufrechtes Erscheinungsbild, trotz sichtbarer Schmerzen in verschiedenen Bereichen ihres Körpers, zu bieten.

Da war dann auch schon Sieglinde, die Amsel und große Liebe meines schon vor dem Tode auferstandenen Vogels Ernesto, die mich mit ihrem Gesang dazu aufforderte, dieses Mal doch für diese Gruppe ein Weihnachtsmärchen zu schreiben, eines das daran erinnern soll, dass das Leuchten in den Augen zur Weihnachtszeit nicht nur den Kindern vorbehalten ist.

Sind wir nicht eigentlich alle Kinder – tief in unseren Herzen?

Else, Hans, Gertraud und Joachim treffen den echten Weihnachtsmann

Ein milder Dezembertag, begleitet von fallenden Blättern in den schönsten Herbstfarben bot die Kulisse für einen friedlichen, irgendwie aber auch nachdenklichen, Freitag Nachmittag, an welchem die Seelen der Menschen, beschienen von Sonnenstrahlen, plötzlich aus den Kerkern ihrer, so habe ich mich meinem Alter gemäß zu verhalten, oder so etwas tut man nicht, fielen und zu eigenständigen Menschen wurden, zu wunderschönen Geschöpfen deren erwartungsvolles Lachen eine eigene Melodie fand, jene Melodie die man schon als Kind kannte, immer dann kam sie zu Besuch wenn man auf das Christkind, oder den Weihnachtsmann, gewartet hatte, unabhängig davon ob man gerade in einem schönen Wohnzimmer, oder in einem Luftschutzkeller vielleicht, oder nach irgendwohin gerade auf der Flucht war, diese Melodie schien in sich selbst das Licht zu tragen.

Weihnachten wird alles anders sein!

Die erste war Else, die sich an diesem Freitagnachmittag von ihrem Sessel erhob, tapfer erschien uns das sogar, da man an ihrem zielgerichteten Blick bereits erkennen konnte, dass sie allen Widrigkeiten trotzen würde und sich einige wenige Meter weit, direkt vor die vielen dort aufgestellten Weihnachtsmänner, stellen würde, um dort einen dieser Männer zu begrüßen, den sie dann zu einem Gespräch einladen könnte, nur um ihm zu bedeuten, dass er heute kein Spielzeug sei, sondern der Weihnachtsmann aller Zeiten, der fähig ist diese besondere Zeit des Wartens mit seinem Licht und seiner Güte zu erhellen, und auch einer der sehen kann, was da so in  ihrer Seele an Träumen  schlummern würde.

Ich konnte es beinahe nicht fassen, als sich einer der Weihnachtsmänner, er stand sogar in der obersten Reihe und war höchstens einen halben Meter groß, erhob, und wuchs und wuchs,  bis er die Größe eines Mannes erreichte, um dann von der obersten Reihe herunter auf die Straße zu steigen. Direkt neben Else blieb er stehen, als ich von meinem Tisch aus schon sehen konnte, dass er das kleine Wägelchen, an das sich Else beim Gehen klammerte, einfach weg schob, um sie dann ungehindert an der Hand nehmen zu können, vielleicht um ein wenig herum zu spazieren, oder aber auch nur um ihr besser zuhören zu können.

Noch weniger konnte ich fassen, dass von einem der nur noch mit wenigen Blättern bedeckten Bäume ein silbernes Kleid fiel, das sich von selbst über Else stülpte, so eines wie man es sich vorstellt in diesem Märchen von einem armen Mädchen, dem Aschenputtel, das dann doch die Königin wurde.

Genau so sah Else nun aus, vor Glück begannen ihre Augen zu strahlen und ihre Wangen erröteten,  als der Weihnachtsmann sie dann zu einem Walzer entführte, da direkt auf der Straße vor diesem Spielzeuggeschäft in Bad Reichenhall.

Worüber sie gesprochen hatten konnte ich nicht hören, aber ich fühlte, dass für Else die Zeit nicht mehr wichtig war – war das alles gestern oder wird es morgen sein – sie hatte den Weihnachtsmann getroffen, dieses Mal nicht mehr in jenem Bunker in Graz als sie noch ein ganz kleines Mädchen war und er ihr alle Angst fortnehmen konnte, sondern heute in Bad Reichenhall, und wir alle konnten Else sehen.

Else das Kind, Else das junge Mädchen, Else die Frau – eben Else, nur Else.

Auch Hans, Joachim und Gertraud sahen das und wollten nun auch alle einen Weihnachtsmann für sich finden.

Einen, der den Menschen sieht, einen, der die Ängste vertreiben kann, einen, der dieses Licht zur Weihnacht entzünden kann.

Und so kam es dann, als der Wind mit seinen großen Backen das restliche Laub von den Bäumen trieb, dass wir alle die wir an diesem Freitagnachmittag in Bad Reichenhall gewesen waren, auch zu diesen Weihnachtsmännern liefen, aufgeregt und voller Hoffnung, und natürlich mit dem Wissen, dass unser Weihnachtsmann auch wirklich uns sehen würde, seien wir nun acht Jahre alt, oder achtzig, was macht das schon!

Schwester, es war einer meiner schönsten Tage, die ich je erlebt hatte, es waren auch die schönsten Geschichten die ich jemals vernahm, und erzählten sie auch von einem längst vergangenen Krieg, die Hoffnung war es die diese Lebenserinnerungen so schön machten und die offensichtlich diese Menschen niemals verlassen hatte – für mich, die ich keine Ahnung von Krieg und wirklicher Entbehrung habe waren sie eine Erfahrung der besonderen Art – da sie direkt aus der Seele klangen, und daher auch den Wunsch nach einem echten Weihnachtsmann untermauern konnten.

Und dieser Weihnachtsmann hatte sie ja auch alle in sie selbst verwandelt, ohne Alter, ohne Vorurteil, einfach nur sie selbst.

Gar nichts war gekünstelt, verschnörkelt, oder sogar gewollt, es war einfach ein befreiender Moment, ausgelöst durch jene Weihnachtsmänner vor diesem Spielwarengeschäft.

Am Ende dann liefen noch einige pausbäckige Engel vor mir her, als ich mich auf den Weg zum Parkplatz machte, ich die ich nun so viele ältere Menschen getroffen hatte, die alle so fröhlich und jung waren, mit denen ich einen Nachmittag lang getanzt und gelacht hatte.

Das ist für mich Weihnachten!

Na, ja, Schwester, auch meine Weihnachten kommen immer näher, hoffentlich dieses Jahr ohne größeres Weihnachtsbaum Drama, da sich meine Dackeline darauf besinnen wird dass man auf einen Weihnachtsbaum nicht eifersüchtig zu sein braucht –  und diesen hoffentlich stehen läßt.

Für heute umarmt Dich

Deine Schwester Serafina

P.S. Nächste Woche dann ein Märchen, wie Du weißt liebe ich Märchen, und dieses Mal wird es ein ganz besonderes sein, na, ja, die Vorfreude auf Weihnachten, und die Erinnerung an diese Tage mit unseren Eltern, sind wahrscheinlich der Grund dafür, dass ich jene Stimmung so gerne wieder erleben möchte – noch immer fällt mir ein wie sich unsere Mutter darüber freute wenn wir irgendetwas vorgelesen haben.

Auszug aus dem Buch “Hallo Schwester”




Serafina Campestrini
„Es ist immer eine Summe von Bildern, Tönen und Schwingungen, die wir von anderen Menschen oder einer Umgebung erfühlen, die uns zu dem machen, was wir sind.“

Früh geprägt vom musikalischen Umfeld ihrer Familie absolvierte sie ein Studium der Musik am Anton Bruckner Konservatorium in Linz. Der Ansatz beim Schreiben, immer den Rhythmus der Musik dahinter zu setzen, verfolgte sie auch in den Jahren während ihres Aufenthaltes in New York, dort in der englischen Sprache.
Später dann eine mediale Erweiterung mit der Verfassung mehrerer Filmmanuskripte, sowie ein Studium Kulturmanagement und Kommunikationspsychologie.

Ihr besonderes Anliegen ist es, im Zusammenspiel von Musik, Literatur und zuweilen auch Bildender Kunst, kommende Generationen anzusprechen, um auf diesem Weg einen Beitrag zu einer etwas friedlicheren Welt zu leisten.
Der Roman ICHael-Michael mit dem zweiten Namen Papageno, Fantasy Roman basierend auf der Oper von W. A. Mozart “Die Zauberflöte”, liegt auch als Bühnenfassung und Filmmanuskript mit dreizehn Liedkompositionen vor.

Das Buchprojekt „Hallo Schwester“, ist eine satirische Betrachtung von Ereignissen in Österreich und eine Fortsetzung des Manuskriptes „The clock is running home“, eine Zeitreise durch die Vereinigten Staaten von Amerika aus österreichischer Sicht.






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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Potentialentfaltung und Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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