Franziska Vogt für #kkl48 „VernunfT“
Ein nützliches Mitglied der Gesellschaft
Ach so, Autismus haben Sie?
Na ja,
Das haben ja gefühlt gerade alle.
Wenn Sie da nur mal auf
Instagram schauen.
Diese ganzen Selbstdiagnosen. Ist ja
Inflationär.
[…]
Sie waren also beim Arzt?
Psychiater?
Na dann. Dann ist’s was
Anderes. Aber viele nutzen das ja
Als Ausrede. Kennen Sie, oder?
Aber das machen Sie ja nicht.
Sie haben es ja trotzdem zu was gebracht.
Sie sind ja ein
Nützliches Mitglied der Gesellschaft.
So als Lehrerin.
Muss man ja auch mal anerkennen.
Andere ruhen sich auf ihrer Krankheit aus.
Aber deswegen sind Sie auch noch
Ledig, oder?
[…]
Nein, ich wollte ja jetzt nicht sagen, dass
Autismus ein schlimmer Makel…
Um Gottes Willen.
Ich meine nur,
Da haben Sie sicher so Ihre Probleme,
Was das Zwischenmenschliche betrifft.
Autisten, die haben’s ja nicht so
Mit Emotionen.
Die sind ja eher so rational unterwegs.
Obwohl…, ich hab’ eine Bekannte,
Die hat auch Autismus,
Die kriegt ihr Leben nicht so gut auf die Reihe wie Sie,
Aber die ist in einer Beziehung.
Verheiratet sogar.
Kinder will die aber nicht.
Gott sei Dank, muss man da sagen.
Ist ja auch vernünftig.
[…]
Ach, Sie haben Kinder?
Und da haben Sie keine Angst, dass die…?
Und der Vater?
[…]
Ach, das war nur ein Scherz?
Zum Glück!
Und ich dachte,
Autisten können gar nicht lügen.
Franziska Vogt, Jahrgang 1987, arbeitet als Lehrkraft für Deutsch und Geschichte. Nebenbei hostet sie den Podcast „Gedichte aus der Geschichte“ und betätigt sich literarisch. Ihr Debutroman „Eine gewaltige nächtliche Ouvertüre“ erschien 2024 bei EK2-Publishing.
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