Isabell Pscheider für #kkl48 „Vernunft“
Puck, Prügel und Passion
„Sei doch vernünftig.“ Sagte man mir, als ich das Training abbrechen wollte. Da war ich sechs oder sieben. Wo soll den das alles hinführen? „Vernünftig sein, heißt auch Verantwortung übernehmen.“ Sagte mir meine Mutter. Aber Vernunft liegt mir nicht besonders, glaubte ich zumindest. Ich trainiere jeden Tag erbittert, um auf dem Eis meine Leistung zu bringen. So wie die anderen. Es sind auch sie, ohne die es nicht funktionieren würde. Rivalen entstehen meist im Kindesalter und ziehen sich über die Jugendliga, bis ins Erwachsenalter. Sie helfen einem zu wachsen. Eigentlich müsste man dankbar sein, für die Idioten, die einen zur Weißglut bringen. Diamanten entstehen nur unter hartem Druck. Darum hebe ich die Gewichte, halte mich an die vorgegebene Kalorienzahl, laufe die Kilometer, achte immer in Absprache mit meinem Trainer darauf die richtige Balance von Kraft und Ausdauertraining an den Tag zu legen. Aber Vernunft ist nicht gleich Disziplin. Zumindest nicht für mich. Im Team muss ich funktionieren. Jeder ist eine Spielfigur, die eingesetzt werden kann. Betonung auf dem Wort „kann“. Nicht „muss“. Wenn ich die Leistung nicht erbringe, sitze ich auf der Bank. Ob das vernünftig ist? Theoretisch betrachtet, ja. Mein Ego findet es einfach ungerecht. Aber die vernünftigste Wahl ist jene aufs Spielfeld zu lassen, die die Leistung erbringen und als Team die bestmögliche Partie spielen können. Wenn ich mich im Spiegel ansehe, den Körper, den man sich mit dem Training verdient und denn man mit allem was es kostet versucht zu erhalten wird mir oft schwindelig. Um nicht hinter den anderen zurückzubleiben tut man fast alles. Mir fallen die Macken auf, die man dadurch erhält. Druck und Stress sind nur Beiprodukte im Leistungssport. Doch wenn ich die Schlittschuhe anziehe und auf die polierte, glatte Fläche des Eises trete, weiß ich warum es das alles wert ist. Wenn der Signalton ertönt und ich förmlich das Gefühl habe zu fliegen, weiß ich das es alles wert war. Doch die Punkte entscheiden, wer gewinnt. Und wer als Team am stärksten ist. Die Macken sind vielleicht nicht nur mental, aber für die mentalen Macken entwickelt man Mechanismen, um klarzukommen, die anderen schaffen es ja auch. Mein Tick ist es den angestauten Druck am Boxsack auszulassen, was zusätzliche Übung ist für die Körperkontakte, die am Eis einfach unvermeidbar sind. Oft sind es genau diese Auseinandersetzungen, die mich rotsehen lassen. Gibt natürlich auch Arschlöcher, die nur aufs Foulen aus sind. Mit Prellungen, blutigen Schrammen und gebrochenen Knochen muss man rechnen. Zähne verliert man wie Geldmünzen oder Schlüssel. Auch wundert es mich nicht, dass wir den Unterleibschutz schon trugen, bevor die Helmpflicht 1979 verpflichtend eingeführt wurde. Prioritäten wurden gesetzt. Das sagt schon viel aus. Doch auch die Fans sind mit Vorsicht zu genießen. Im einen Moment lieben sie dich, wenn du Punkte schießt, im anderen wünschen sie dir den Tod und Schlimmeres. Scouts, Management und Vorstand sind aber ebenfalls Aasgeier, die nicht zu unterschätzen sind. Sobald dein Lebenslauf nicht dem Standard-Profil entspricht, landest du im Mülleimer. Für sie gibt es Spieler wie Sand am Meer und es schert sie einen Dreck wer durchkommt, solange nur die Spielergebnisse und Zahlen auf den Belegen passen. Sie haben oft kein Liebe mehr zum Sport. Die Leidenschaft, die uns anderen auf der Seele brennt, die spüren sie nicht. Doch ich spüre das Feuer, seit ich das erste Mal am Eis stand und wusste die anderen würden mir den Rücken genauso freihalten, wie ich ihnen. Auch die Angst vor diesem Feuer verschlungen zu werden verfolgt mich. Blut, Schweiß und Tränen begleiten mich wortwörtlich. Zerbrochene Schläger, Klopfen an der Bande, Fouls, die in Schlägereien ausarten, doch auch Momente, indem man den Puck versenkt oder andere daran hindert. Für Menschen, die keinen Berührungspunkt damit haben muss es befremdlich wirken. Dennoch würde ich nichts gegen das Gefühl eintauschen, dass man fühlt, wenn man verschwitzt, vielleicht teils blutig und zahnlos und definitiv nicht vernünftig Teamkameraden umarmt, weil man zu sechst am stärksten war. Weil man gewonnen hat. Scheiß drauf, was die anderen sagen. Alles ist egal solange man gewinnt. Den Gewinner werden geliebt. So oder so.
Isabell Pscheider, Jahrgang 2003, lebt derzeit in Wald im Pinzgau. Mit 18 Jahren hat sie ihre Matura abgeschlossen und befindet sich aktuell im BA -Studium Lehramt: Sekundarstufe Allgemein mit der Fächerkombination Englisch und Kunst & Gestaltung in Innsbruck, Österreich.
Schon seit ihrer Kindheit hat Isabell eine Leidenschaft für das Schreiben entwickelt. Die kreative Abwechslung, die ihr das Verfassen von Geschichten bietet, begleitet sie nicht nur in ihrer Freizeit, sondern stellt für sie auch eine wertvolle Ergänzung zu ihrem Studium dar. Ihre Faszination für Sprache und Kunst prägt ihre literarische Arbeit und lässt sie ihre Ideen auf einzigartige Weise in Worte fassen.
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