Veronica Holl für #kkl49 „Ablenkung“
Weltuntergangszuckerwatte, die ablenkt
Die Welt geht unter und es riecht nach Zuckerwatte. Der betörende Geruch macht mich ganz benommen und benimmt sich generell, als wäre rund um ihn herum kein Chaos ausgebrochen. Doch auch dieses kleine Glück währt nicht lange, woran mich der stechende Eisregen erinnert, indem er mich in die schlotternden Finger pikst und mein Gesicht gefrieren lässt. Graue Wolken scheinen sich bedrohlich weit herabzusenken und dahinter Grauenvolles zu verbergen. Aber auch das hier unten Ersichtliche verheißt nichts Gutes. Da fällt mein Blick auf eine kleine Zimmerpflanze, die aussieht wie eine Palme, und trotz allem froh herüber grünt. Daneben sitzt ein weißer Pudel mit kompliziert geschnittenen Stirnfransen. Er hechelt und hält liebenswürdig die Zunge heraus. Einen Hund hatte ich selbst noch nie, dafür einen leicht zu beleidigenden Kater, der 3 Namen trägt, aber auf keinen von ihnen hört. Egal. Ich und viele andere überschwemmen beim Einsteigen die Straßenbahn. Ich fühle mich eingepfercht zwischen verschiedenen Körpern, die aufreibendes Hüsteln und sonderbare Gerüche verströmen. Aus dem Fenster, das ich bis zur Abfahrt noch immer gut im Blick habe, scheint mich der Pudel anzulächeln. Ich weiß nicht, ob er wirklich mich meint, aber ich lächle sicherheitshalber zurück.
Ich mag es, mich an solchen kleinen Dingen festzuhalten, die mich ablenken.
Zur Erklärung: Wenn ich mich insgeheim ablenken möchte, tue ich gerne so, als hätte ich anderweitig zu tun. Damit ich nicht mitbekomme, oder ich es mir zumindest erschwere, es mitzubekommen, wie ich nach Ablenkung giere. Der dunkle verteufelte Kreis lässt mich selten aus seinem Inneren ausbrechen, denn auch er will, dass ich mich in der Ablenkung verliere. Ich bin ein schwaches Rädchen im System, ich rolle dorthin, wo mich jede noch so schwache Brise trägt. Bis ich wie aus dem Albtraum schlagartig hochschrecke und merke, dass ich mich wieder wissentlich vom Weg fortbewegt habe. Scheinheilig versuche ich den Schaden zu beschönigen und mich an den extra Meilen zu erfreuen. Obwohl sie natürlich nicht nötig gewesen wären, wie ich ja auch weiß. Ich schlurfe also trist zurück und versuche hoch erhobenen Hauptes dort weiterzumachen, von wo ich durch Selbstverschuldung weggedriftet bin. Bis mich die nächste Böe fortträgt, die mich abermals mit Ablenkung verführt. Es ist nicht so, dass ich mich davor fürchte, abgelenkt zu werden. Eher vor dem Gefühl danach, Zeit vergeudet, Gedanken verschwendet und selbstsüchtig, mir gegenüber nicht aufrichtig gewesen zu sein. Denn ich will manchmal etwas ganz anderes, als ich eigentlich selbst will. Und manchmal weiß ich gar nicht so recht, was das eigentlich ist. Als ich zu Ende philosophiert habe, ist die Straßenbahn an meiner Haltestelle bereits vorbeigefahren. 3 Stationen weiter steige ich aus und stapfe zurück. Die Welt ist noch da, aber es riecht nicht mehr nach Zuckerwatte.
Ich bin eine allzeit lesebegeisterte Vielschreiberin, die in jeder Situation die Sonne sucht und meist auch findet. Ich heiße Veronica Manon Elaine (weil mein Papa der Auffassung war, niemand anderes auf der Welt hieße so; wenn doch, bitte melden!), komme vom herrlichen steirischen Land und liebe jede Form der Literatur, am liebsten habe ich jedoch eine heimelige Bibliothek. Ich liebe es zu reisen, zu lachen und das Leben einfach zu genießen. Mein frühester Berufswunsch, an den ich mich erinnern kann, war Multi-Millionärin, mein zweit-frühester Autorin. Ich bin im Bestreben, letzteres wahr werden zu lassen, einfach weil ich glaube, dass mich Schreiben und Geschichtenerzählen von allen schönen Dingen dieser Welt am meisten begeistern. Mein Studium „Journalismus und Public Relations“ habe ich abgeschlossen, nun bin ich gespannt, wohin es mich als Nächstes verschlägt.
Über #kkl HIER
#kkl Magazin 