Emma Jolie Krohn für #kkl50 „Hingabe“
Dass ich deinen Namen kenne
Menschen strömen an uns vorbei
sprechen mit fremden Stimmen
schauen aus fremden Augen.
Für uns nur Menschen ohne Namen.
Fremde, die eigene Welten mit unzähligen
Menschen ohne Namen bewohnen,
die sich alle beim Namen nennen.
Und für sie sind wir nicht mehr
als ein weiteres namenloses Gesicht,
dessen Umrisse es nicht bis in ihr Gedächtnis schaffen
eine Gestalt, die kein Teil ihrer Welt ist.
Obwohl es so unwahrscheinlich ist,
dass wir zeitgleich leben,
so nah beieinander,
werden wir dieses Leben nicht teilen.
Ich blicke zu dir rüber.
Betrachte einen Menschen, dessen Namen ich kenne.
Dessen Worte und Werte, dessen Gründe zum Lachen ich kenne.
und ich denke, wie unwahrscheinlich es ist,
ja geradezu unmöglich,
dass ich deinen Namen kenne.
Wenn ein einziger von unzähligen Vorfahren in mindestens 200.000 Jahren Menschheitsgeschichte (in etwa 15 Millionen Jahren Entwicklungsgeschichte der Hominiden)
als Kind eine Biene verschluckt hätte,
wenn ein einziger dieser Menschen zu früh einen giftigen Pilz gegessen oder die Pest bekommen hätte,
wenn ein Bär oder ein Auto, ein Sturm oder eine Waffe, ein Mensch oder eine Mücke
nur eine Person ein paar Tage zu früh getötet hätte
ein paar Tage in Millionen von Jahren,
würde ich deinen Namen nicht kennen.
wenn nur einmal eine andere Eizelle von 400.000 zum Eisprung gekommen wäre,
wenn ein anderes Spermium der 30 bis 600 Millionen bei jedem Ejakulat eine Eizelle befruchtet hätte,
nur ein einziges Mal bei Milliarden von Samenergüssen, eine, von Billiarden von Spermien
Wenn nur ein einziger entscheidender Moment in Millionen von Jahren um eine Sekunde verzögert worden wäre,
würde ich deinen Namen nicht kennen.
Wenn nur eine Person sich anders verhalten hätte,
sogar von etlichen, die nicht zu unseren direkten Vorfahren zählen.
Wenn vor 386 Jahren eine Person zu einer anderen Zeit aufgestanden wäre
oder eine andere engste Freundin gefunden hätte, die andere Einflüsse gehabt hätte.
Wenn ich andere Entscheidungen getroffen hätte
oder eine Frau vor 1568 Jahren nur eine andere,
würde ich deinen Namen nicht kennen.
Würde ich mir diese „wenn’s“ nicht vorstellen können
oder du könntest nicht lachend sagen, dass du das genauso unvorstellbar findest.
Doch du und ich
und Milliarden von Menschen
haben genauso gehandelt, wie sie es taten.
Und die Welt ist dadurch sicher meist grausamer geworden,
doch dass ich inmitten dieser groben Welt
direkt neben dir stehe,
dass du mich anlächelst
und weißt, dass ich Worte liebe, die genauso klingen, wie das, was sie ausdrücken,
ist ziemlich wundervoll.
Du machst meine trübe Welt jeden Tag ein wenig schöner
und eigentlich ist die Wahrscheinlichkeit dafür so gut wie null.
und trotzdem
lächelst du mich an
und ich zurück
und denke,
wie unfassbar
und ziemlich wundervoll,
dass ich deinen Namen kenne.
Ich heiße Emma Jolie Krohn und wurde 2005 in Potsdam geboren. Dort bin ich mit einer Schwester und meinen Eltern aufgewachsen und bis 2021 zur Schule gegangen. In den letzten Jahren habe ich viel mit meinen psychischen Erkrankungen gekämpft. Seit fast zwei Jahren lebe ich nun in einer Therapeutischen Wohngruppe in Berlin lebe. Im Dezember habe ich damit begonnen mein Abitur nachzuholen.
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