Richard Wissinger für #kkl50 „Hingabe“
Pfleger Gustav
Gustav war seit drei Jahren diplomierter Altenpfleger. Er war stolz auf sein Diplom und die Arbeit füllte ihn aus. Ursprünglich hatte er Automechaniker gelernt – Mechatronik nennt sich das Fach jetzt – und er arbeitete über drei Jahre in einer Fachwerkstätte. Seine damalige Freundin war Studentin und drückte ihm einen Band von Viktor Frankl in die Hand. Eigentlich stand ihm der Kopf mehr nach Thrillern, aber Francoise zuliebe las er das Buch.
„Ein Leben ohne Sinn ist sinnlos.“
Dieser Satz ist ihm Erinnerung geblieben und nistete sich in seinem Gehirn ein. Er stellte seinen Beruf infrage, kombinierte, dass durch die Umstellung von Verbrennerautos auf E-Fahrzeuge ein Großteil seiner Arbeit obsolet sein würde. Und mit Sicherheit würde er kein Chef werden.
Im Sozialbereich sah er den Sinn und ließ sich zum Altenpfleger ausbilden.
Gustav hatte seinen freien Tag und saß beim Frühstück. Sein Handy vibrierte. Eine Kurzmeldung:
Barbara ist krank, kannst Du um zehn Uhr Frau Weber übernehmen? Du kennst sie doch? LG Gerlinde
Frau Weber, bestimmt älter als 90 Jahre, immer finster drein blickend, aber gutmütig, freundlich, aber auch verwirrt und vergesslich. Aber, was wichtig war, es stört sie nicht, wenn sie von einem Mann gewaschen wird. Klar, ich habe Zeit, ich werde sie betreuen. Er tippte ein:
Kenne sie. Übernehme. LG Gustav.
Pünktlich läutete er kurz bei Frau Weber und sperrte mit seinem Schlüssel auf.
„Frau Weber, erschrecken Sie nicht! Ich bin es, Gustav!“
Gustav zog Jacke und Schuhe aus, schlüpfte in seine Plastikclogs und ging in die Wohnung. Frau Weber hatte sich in ihrem Bett aufgerichtet und sah Gustav erwartungsvoll an. Am Nachtschrank stand eine Untertasse, darauf die Tasse mit Kakao und ein Brötchenrest, zubereitet von der befreundeten Nachbarin.
„Grüß Gott, Frau Weber! Ich sehe, Sie haben schon gefrühstückt. Wie geht es Ihnen heute?“
Grau Weber mit dem finsteren Blick formte mühsam ihre Lippen und sagte langsam „So la la.“
„Na fein, heute wollen wir duschen. Oder haben Sie etwas dagegen?“
Frau Weber nickte zustimmend. „Bitte gleich duschen.“
Zuerst drehte Gustav die Heizung im Badezimmer auf maximal, bereitete Waschlappen und Handtücher vor. Das Duschgel stellte er auf die Rückseite des Sitzbrettes, das quer über der Badewanne platziert war.
Gustav richtete Frau Weber im Bett auf, half ihr beim Aufstehen, zog ihr das Nachthemd aus, entfernte ihre Windel, hängte sich bei ihr ein und zusammen gingen sie langsam in das Badezimmer. Sie schmiegte sich unerwartet fest an ihm. Gustav half Frau Weber auf das Sitzbrett und hob ihre Beine in die Wanne. Er stülpte er sich einen Nylonschurz als Spritzschutz über den Kopf. Der Thermostat der Dusche war richtig eingestellt und er zog sich die vorgeschriebenen Handschuhe über.
Frau Weber neigte den Kopf nach rückwärts und schloss die Augen auf die zu erwartende Dusche. Mit sanftem Wasserstrahl der Handdusche fuhr Gustav über ihr Gesicht, den Nacken, über ihre Schultern, ihre Brüste und den restlichen Körper. Frau Weber begann sinnlich zu schnurren. Sie hatte geschlossene Augen und wiegte den Kopf langsam hin und her. Gustav begann die ruhig sitzende Frau einzuseifen. Danach spülte er den Körper vom Duschgel frei.
Frau Weber schienen die sanften Berührungen zu gefallen, sie atmete tiefer und hob abwechselnd ihre Schultern. Plötzlich drehte sie ihren Oberkörper in Richtung Gustav und griff mit ihrer Hand, die Plastikschürze zur Seite schiebend, auf Gustavs Schritt, genauer, die Hand ertastete seinen Schwanz und drückte ihn.
„Frau Weber! Was machen Sie da?“
Gustav war überrascht, aber da Frau Webers Hand sich zurückzog, duschte er sie weiter.
Doch nach kurzer Zeit war Frau Webers Hand wieder zu spüren. Und, sie hatte es bemerkt, Gustavs Schwanz war schon geschwollen.
Unerwartet schnell hatte Frau Weber den Zipp der Hose geöffnet. Und zielsicher den Schwanz aus der Unterhose befreit.
Gustav war schockstarr. In der einen Hand den Brausekopf, in der anderen den Waschlappen, damit konnte er nicht sofort in das Geschehen eingreifen. Zumindest den Wasserstrahl konnte er abstellen.
„Frau Weber, lassen Sie das!“
Frau Weber hielt seinen Penis fest in der rechten Hand und sah Gustav treuherzig in die Augen: „Bitte!“
Sie drehte sich zur Seite und beugte sich vor. Sie küsste Gustavs Schwanzspitze.
Im Gegensatz zu seiner Erstarrung liefen seine Gedanken Amok:
Was soll’s? Lass sie gewähren. Die Frau ist dement, sie wird es wohl kaum jemanden sagen. Aber dann: Das kann Dich Deinen Job kosten!
In der Zwischenzeit hat Frau Weber sein bestes Stück mit der Zunge befeuchtet und in den Mund genommen.
Der Hedonist in ihm: Eigentlich ganz angenehm. Das Gewissen fuhr dazwischen:
Du Schwein! Wenn das bekannt wird, kannst Du wieder als Mechaniker arbeiten! Auch der Analytiker meldete sich zu Wort: Die Frau hat ihr Gebiss am Nachttisch liegen!
Gustav neigte eher zu der Volksweisheit „Schau ma mal, dann sehn wir schon!“.
Frau Weber war sonst eine hilflose Person, aber alles hat sie anscheinend nicht vergessen. Gustavs Blut war nicht mehr in seinem Kopf. Er bot ein skurriles Bild für einen Außenstehenden: Körper nach vorne gewölbt, Arme beschwörend erhoben, mit Lappen und Brause in den Händen, den Kopf himmelwärts gerichtet.
Jetzt ist es so weit! Er schloss tief atmend die Augen.
Frau Webers Mund entließ plötzlich ihren Freier, zog den Kopf zurück und setzte sich wieder gerade auf das Sitzbrett.
„Mir ist kalt!“
Gustavs Schläfen pochten, die Zeit stand für ihm still, er hörte Frau Webers Stimme nur im Hintergrund. Er stand immer noch mit geschlossenen Augen, mit offener Hose und erigierten, erwartungsvollen Glied vor der Wanne. Vorfreudetropfen waren schon sichtbar. Und jetzt dieser Interruptus!
„Was ist denn mit Ihnen?“ Frau Weber war plötzlich ungnädig.
Abrupt kehrte Gustav in die Realität zurück. Schnell den Waschlappen in die Wanne und den Brausekopf in die Halterung. Er nahm das Badetuch und rubbelte Frau Webers Oberkörper ab. Noch immer hoffte sein Schwanz auf Erfüllung. Eilig verstaute er sein widerstrebendes Glied in die Hose.
Jetzt hat sie wieder ihren finsteren Blick!
Gustav trocknete Frau Weber ab, zog ihr die Tageskleidung an, schloss alle anstehenden Arbeiten bei Frau Weber ordnungsgemäß ab und verließ die Wohnung fast fluchtartig. Den ganzen freien Tag und auch den Abend ließen ihm die Gedanken zu dem Erlebten keine Ruhe.
Was soll ich in den Bericht schreiben? Kann ich mich weigern, Frau Weber zu besuchen? Oder, warum eigentlich nicht? Wer nutzt da wem aus?
Das sicherste schien ihm, zu melden, Frau Weber möchte nicht mehr von einem Mann gewaschen werden. Ja, das wird er morgen bei der Besprechung sagen. Damit ist er und auch andere Männer außer Obligo.
Am nächsten Morgen im Besprechungsraum begrüßte die Leiterin ihre Kollegen, wollte gerade mit der Diensteinteilung beginnen, da platzte Doktor Pulex in die Runde.
„Bevor ihr mit der Einteilung beginnt, möchte ich nur sagen, ich komme von Frau Weber.”
Gustavs Nackenhaare sträubten sich. Jetzt bin ich dran! Sie hat es dem Doktor erzählt!
„Die Nachbarin von Frau Weber hat mich angerufen, dass Frau Weber nicht reagiert. Ich habe nur mehr ihren Tod feststellen können.“
Schwester Susi fragte „Ist das die Frau, die immer so grantig drein sieht?“
„An und für sich ja“, bekräftigte sie Doktor Pulex.
„Aber ich kann bestätigen, dass sie einen friedlichen Tod hatte. Sie ist mit einem Lächeln auf den Lippen gestorben. So sieht man aus, wenn man ein erfülltes Leben hatte.“
Richard Wissinger, #URKNALLKINDER
Jahrgang 1949, lernte Bürokaufmann. Schon als Jugendlicher interessierte er sich für Science Fiction. Gesundheitliche Probleme führten dazu, dass er eine Stelle nie lange behalten konnte. Stereoberater, Fotoverkäufer, Hilfsspengler, Pferdepfleger, Mikrofilmtechniker, Siebdrucker, Museumsaufseher, EDV-Assistent, Servicetechniker für Plattenspieler und Steinzeit-PC-Service waren Stationen. Die letzten 21 Jahre arbeitete er als Bibliothekar in den Städtischen Büchereien Wiens und ist jetzt im Ruhestand. Erst die Transkription der Tagebücher seiner verstorbenen Mutter brachte ihn auf den Gedanken, eigene Geschichten niederzuschreiben.
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