Malerei: Kennst du eine echte Zutat fürs Motiv?

Timea Hiller für #kkl50 „Hingabe“




Malerei: Kennst du eine echte Zutat fürs Motiv?

»Nein, die Bilder passen nicht zu uns«, sagt der Galerist, Konrad Imhaus.

Marla Leibo, die Künstlerin findet, dass er ein wenig steif bleibt während des Termins mit ihr in dieser angesagten Location in Berlin-Mitte. »In Ordnung«, sagt sie mit schwankender Stimme und packt ihre Sachen zusammen.

Sie liebt es zu malen und verbringt seit ihrer Kindheit unzählige Stunden damit, bunte Farben auf Leinwände zu bringen. Sie mag all die Mischungen für warme Rottöne, die Liebe und Wut erschaffen können, das leichte Gelb, wenn es egoistisch daherkommt, ebenso wie ein stilles Blau, das Kälte verbreiten kann. In diesen Zeiten der Malerei ist sie allein und nicht mit Freunden unterwegs. Sie empfindet es nicht als Einsamkeit, doch für Freundschaften bleibt ihr nur wenig Zeit. Ganz früher mal, so erinnert sich Marla, als sie sechs oder sieben Jahre alt war, hatte sie einen engen Kinderfreund, der im Haus gegenüber wohnte. Mit ihm zusammen malte sie oder unternahm Streifzüge durch die Nachbarschaft. Zwischen den beiden bestand eine sehr innige Beziehung, bis sie mit ihren Eltern aus der Gegend wegzog. Marla war gezwungen, die unbeschwerte Gemeinschaft aufzugeben und noch etliche Jahre empfand sie darüber manchmal Traurigkeit.

Die Hobbymalerin wünscht sich sehnlichst, mit ihren Bildern Erfolg zu haben. Heute ist ihr schon wieder das Gegenteil davon passiert.

Marla ist auf dem Weg nach Hause und fragt sich, warum ihre Verkaufsgespräche niemals die gewünschte Richtung nehmen. »Ist es nicht möglich, wenigstens eines meiner Bilder mal zu einem attraktiven Preis zu verkaufen?«

Trotz höchster Anstrengung, Bemühung und Leidenschaft, die sie in ihre Bilder steckt, scheint die ganze Welt nicht bereit für ihre Malerei. Galerien und potentielle Kunden lehnen ihre Bilder oft direkt ab oder sie hört von ihnen: »Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt…«, woraus sich nie etwas ergibt. Immer wenn so ein Gespräch stattfindet, wie das mit Konrad Imhaus, versetzt ihr das einen Stich mitten ins Herz. Ein Gefühl des Scheiterns will sich breit machen. Marla glaubt, dass Malen ihr hilft, dieses Gefühl wieder zu verscheuchen. Gleichzeitig verspürt sie einen massiven inneren Drang, direkt wieder ein Bild fertigzustellen. So malt sie gegen manche Verzweiflung an, gegen die heißen, salzigen Tränen, die in ihr aufsteigen wollen, wenn ihre Kunst keine Beachtung findet. Durch ihren Kopf sprudeln in solchen Zeiten finstere, beklemmende Gedanken, sie hasten hindurch, bewegen sich, scheinen miteinander zu schwatzen, verschwinden wieder.

Dieses aufgeregte Brainstorming ihrer Fantasie drückt sich später in dem Bild durch schmutzige stumpfe Farben aus, sowie durch Bruchstücke, Fetzen von enttäuschenden Wörtern, die in ihrem Gedächtnis haften. Marla zählt ihre Bilder längst nicht mehr. Sie beobachtet, wie sich fremde Kunstwerke scheinbar mühelos verkaufen, doch bei ihr klappt es nie. Marla findet das nicht mal verwunderlich, denn es gibt ja schon Bilder in Unmengen, wie Sandkörner am Meer, erst recht in ihrer Heimatstadt Berlin. Dort wo sich angesagte Galerien auch gerne mal zu bestimmten Zeiten in einzelnen Ortsteilen häufen, um dann weiterzuziehen, zum Beispiel von Kreuzberg oder Mitte nach Charlottenburg. Bilder, soweit das Auge reicht, in Restaurants, in Büros, in Empfangshallen.

Marla schließt jetzt die Wohnungstür auf. Der Herd in der Küche verrät ihr auf seinem Display, dass es bereits nach siebzehn Uhr ist.

»Ich muss gleich wieder aufbrechen«, denkt sie. »Ich möchte heute pünktlich bei der Vernissage erscheinen.« Eilig öffnet die junge Frau ihren Kleiderschrank, indem sie die schlichte Schiebetür beiseite drückt. Ganz rechts hängt auf dem Bügel ein schwarzes kurzes Abendkleid, mit gesmokten Nähten und kleinen Glitzersteinchen. Sie greift danach. Beim Überziehen spürt sie ein Kribbeln auf ihrer Haut. Es erhöht die Vorfreude auf ihren abendlichen Ausflug. Den Galeristen, Herrn Imhaus, vergisst sie dabei schnell wieder.

Sie hofft, nicht nur prächtige Farben auf dicken und dünnen Leinwänden zu sehen, sondern auch lernen zu können. »Wie lassen sich Bilder gut verkaufen?«, ist die Frage, die sie sich immer wieder stellt. In einem sexy Outfit mit eleganten Feinstrumpfhosen lächelt sie später den Spiegel an und bürstet ihre Haare. Dann verstaut sie ihren Talisman, einen kleinen Jadestein, in ihrer Handtasche und wirft sich eine dünne Jacke über.

Kurz darauf betritt sie die Galerie, die sich in einem Hinterhof befindet. Marla schaut sich im Empfangsraum mit den hohen Decken um. Die Kunst ist auf zwei Etagen verteilt, eine breite Holztreppe lockt Besucher auf eine Empore. An der Seite steht ein Tisch mit Getränken und Gläsern. Bis jetzt sind nur wenig Leute da, gelegentlich nickend und, so wie sie selbst, noch ein wenig wartend. Angenehm erregt registriert sie ein paar Blicke, die ihr gelten.

Der Galerist räuspert sich und spricht ein paar einleitende Worte, die neugierig machen.

»Herzlich willkommen«, begrüßt das Künstlerpärchen dieser Doppelausstellung sie nach einer kleinen Weile sogar persönlich. Die beiden schreiten mit Marla zur gegenüberliegenden Wand, an der mehrere Bilder im DIN-A4-Format nebeneinander aufgereiht sind. In gebührendem Abstand bleiben sie stehen, um alles gemeinsam zu betrachten. Auf kleinen Schildern daneben stehen ein paar wichtige Daten, doch von hier sind sie nicht erkennbar. Die Kunstwerke zeigen grellbunte Farben, die sich zu bewegen scheinen, wie um sich zu vermischen, doch das tun sie nicht.

»Das Geheimnis der klaren Linien liegt in der Herstellung«, erwähnt die Künstlerfrau.

»Wir haben über lange Zeiträume mit speziellen Farben experimentiert, sie wieder und wieder zusammengebracht. Den Moment des Zusammentreffens halten wir fotografisch fest. So entstehen einzigartige Nuancen der Kolorationen, die sich nur in ihren Grundtönen vorhersagen lassen, jedoch niemals in ihrer fertigen Quintessenz«, schwärmt der Mann ergänzend. In seiner Satzmelodie schwingen Freude und Stolz mit.

»Das gefällt mir«, entgegnet Marla und schaut die beiden abwechselnd an. Sie registriert die dunklen Augen der Frau mit dünngezupften Brauen darüber und das freundliche Nicken des Mannes. »Werden sie heute viele Bilder verkaufen?«

Sich kurz umsehend, schürzt die Frau ihre Lippen, zuckt die Achseln und denkt kurz nach. Dann neigt sie ihr Gesicht zu Marla. »Vermutlich nicht«, spricht sie leise. Eine Weile bleibt sie schweigend stehen. »Oft bestaunen die Leute auf einer Vernissage nur die Kunststücke, sie kaufen nicht gleich. Aber man kann ja nie wissen.«

»Ich male auch«. Marla atmet kurz hörbar und fügt nach einer kleinen Pause hinzu: »Ausschließlich Gefühle!« Sie sagt es mit einem Lächeln und hörbarer Euphorie, so dass sogar einige Besucher aufmerksam werden und zu ihr hinschauen. In dem Moment öffnet sich die Tür und die zwei entschuldigen sich bei Marla, um die nächsten Gäste zu begrüßen. Menschen kommen herein und andere gehen. Ein Besucher spricht Marla an.

»Ich höre, sie sind auf Gefühle spezialisiert.« Währenddessen stellt er sich neben Marla und folgt ihrem Blick in den Raum. »Wie machen sie das?«, fragt er gespannt.

Marla kann ihr Glück kaum fassen und freut sich über das Interesse. Sie erzählt mit freudiger frischer Stimme und ausdruckstarker Mimik von grellen, wässrigen, kunterbunten, zarten Farben. »Es sind außerdem faszinierende, schaurige oder feinfühlige Wörter. Sie spuken wie Geister herum, bis aus ihnen ein Bildmotiv entsteht, ein Unikat über eine menschliche Regung.« Mit jedem Satz findet Marla immer mehr Wohlgefallen an ihrer eigenen Erzählung. Mit Gesten deutet sie die Größe der Bilder an und es ist, als malte sie mit ihren Händen imaginäre Kunstwerke. »Ich hoffe, sie können den Werdegang ein wenig nachvollziehen. Gibt es etwas, was ich noch genauer erklären kann?«, will sie wissen.

Ihr Gesprächspartner hört mit wachsendem Interesse zu und erkennt bewundernd ihre Emotionen, bevor er weitere Fragen stellt. Der Herr stellt sich später als einflussreicher Kunstkritiker heraus und sein Sohn als begnadeter Maler, doch Marla weiß das jetzt noch nicht.

In ihrer eigenen fesselnden Erzählung gefangen, bemerkt die junge Frau nicht gleich, dass sich noch mehr Besucher zu ihr gesellen. Schlagartig hört ihr eine Gruppe von Leuten zu. Sie findet Beachtung und Zuwendung von einem kunstinteressierten Publikum.

In diesem Augenblick wird ihr bewusst, wie sie auf eine neue Weise beobachtet wird und im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Ihre Wangen sind rot und fleckig, sie ist erregt und schwitzt, ihr Kopf ist plötzlich leer. Es macht sie so verlegen, dass sie sich hastig verabschiedet und rasch zur Tür geht.

Draußen atmet Marla Leibo tief die kühle Abendluft ein. Sie fühlt sich erschöpft, als hätte sie körperlich Schwerstarbeit geleistet, gleichzeitigt vollgepumpt mit gewaltiger Energie, die sie antreibt. »Mit Worten kann ich nichts davon beschreiben«, denkt sie und will plötzlich lachen. Sie kennt jetzt ihr neuestes Motiv. »Es wird ein ausgelassenes anregendes Feeling, das die Menschen in meinen Bann zieht. Das ist die Hauptattraktion meiner eigenen Ausstellung.«




Timea Hiller „Wünsche erfüllen und Ideen umsetzen wie ein Profi“
Hauptberuflich in der IT-Branche 360° Präventionsberaterin
Volkswirtschaftsstudium in Berlin
Autorin, Künstlerin

Veröffentlichungen Kunst / Kultur (Auswahl):

Volkseigentum trifft Marktwirtschaft, aus Liebe? (E-Book)

Die Story ist dein Mikrofon (Print und E-Book)

Mom Goodbye (Song und Video)

Ambiguity – Wenn Wörter deinen Weg kreuzen (Video in Kooperation)

Fresh-ups MIT Büro (Video)

Links / social media

https://www.epubli.de/shop/buch/Volkseigentum-trifft-Marktwirtschaft-aus-Liebe-Timea-Hiller-9783745042290/62440

https://buchshop.bod.de/die-story-ist-dein-mikrofon-timea-hiller-9783756812301

Website: https://wunschdax.de/

Insta: https://www.instagram.com/timea.hiller/   







Über #kkl HIER

Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Potentialentfaltung und Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

Hinterlasse einen Kommentar