Romina Betanco für #kkl51 „Passagier“
Von Postkartenstränden und Bilderbuchpalmen
Eine Kreuzfahrt in die Karibik. Das klingt für uns Europäer doch einfach paradiesisch. Man hat glasklares, türkises Wasser vor Augen, wie man es aus Prospekten oder Werbung kennt, lange Sandstrände, grüne Palmen und bunte Cocktails mit Früchten drauf, oder wahlweise Kokosnüsse, aus denen man genüsslich, durch einen Strohhalm die Entspannung und das Glücksgefühl einsaugt. Der Inbegriff von Urlaub für alle, die in den akribisch gezählten, freien Arbeitstagen gerne am Strand liegen, ohne die Ambition, einen bestimmten Gipfel zu erklimmen oder so viele Sehenswürdigkeiten wie möglich am Tag abzuklappern. Falls man doch die eben genannten Vorhaben hat, ist vermutlich der Karibikurlaub gar nicht so erstrebenswert, außer natürlich man kann das Abenteuergefühl der Gipfelkraxler auch durch Ausflüge in die Unterwasserwelt ersetzen. Die ist nämlich in der Karibik absolut sehenswert. Was architektonische Sehenswürdigkeiten betrifft, wäre sowohl ein Flug als auch eine Schifffahrt über den Atlantik, hin in die Karibik allerdings reinste Geldverschwendung, da fast alles „Sehenswerte“ noch aus Kolonialzeiten stammt und daher europäischer nicht aussehen könnte. Trotzdem erfreuen sich die von Bordseite angebotenen Ausflüge in Kolonialviertel größter Beliebtheit, wahrscheinlich, weil in den meisten Fällen nicht darüber reflektiert wird, dass wir diese Art von Architektur in Europa ja quasi vor der Tür haben. Noch mehr amüsiert es mich aber, wenn alles nicht europäisch Aussehende bei unseren Passagieren auf Ungefallen stößt, obwohl man doch die weite Reise vermeintlich deshalb auf sich genommen hat, um Neues kennenzulernen. Am Ende vom Tag fühlt sich der Deutsche aber wohl doch deutlich wohler bei allem, was er schon kennt.
Aber auch am Strand ist man natürlich vor Überraschungen der Fremde nicht gefeit. In Jamaica wird man, der Kultur entsprechend, permanent durch dröhnend laute Boxen mit Reggae beschallt, in der Dominikanischen Republik liegen an den durchaus gut gepflegten Stränden Baumstämme und Äste und – huch – es gibt auch Muscheln, die den zarten Füßchen unserer älteren deutschen Passagierinnen nicht zusagen. Dafür ist der Strand mit Bilderbuchpalmen gespickt, die tiefen Schatten für die weiße, deutsche Haut bieten. In Saint-Barthélemy hingegen sucht man Schattenplätze vergebens und ist der Sonne gnadenlos ausgesetzt. Aber wer in Gustavia Urlaub macht, kann sich vermutlich auch eine Privatvilla an der Küste, mit eigenem Schatten leisten… Barbados konnte mit seinen absoluten Postkartenstränden sogar unsere griesgrämigsten Gäste überzeugen. Weißer, weicher Sand, kaum Muscheln, glasklares, türkises Wasser und überall Liegen mit Sonnenschirmen – und sogar W-Lan, das auch die älteren Herrschaften dankbar nützen, für Lebenszeichen bei den Lieben, die sich im kalten Deutschland über die Fotos von Palmen und Stränden ärgern.
Das ist also die Karibik. Ein Ziel für Sonnenbrutzler und Badenixen, für Tauchbegeisterte und Muschelsammler; mit absolut sehenswerter, europäischer Kolonialarchitektur.
Romina Betanco ist ausgebildete Musicaldarstellerin und momentan Studentin der Translationswissenschaften an der Universität Wien. Beim Schreiben verbindet sie ihre Liebe zur Sprache mit ihren Erfahrungen von der Bühne und den sieben Weltmeeren, die sie in den vergangenen Jahren auf Kreuzfahrtschiffen bereisen durfte.
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