Pia M. Raddei für #kkl51 „Passagier“
Freigeist auf Reise
Ich hebe meinen Kopf und schau an deinem Hals hoch bis zu deinem Gesicht. Und wieder dieser Blick von dir, diesen Blick, den ich nicht deuten kann und der mir jedes Mal ein wenig Angst macht.
Du bemerkst ihn und fängst an zu lächeln. So wie du mich immer anlächelst, wenn du mir meinen Fragen ausweichst. Ich habe aufgehört sie dir zu stellen, da die Antworten eh ausbleiben. Sätze wie „Denk nicht so viel nach.“ und „It´s not that deep.“ gehören zu deiner Ausweichtaktik.
Am Anfang tat es weh, wenn ich über Zukunftspläne reden wollte und du mir als einzige Reaktion einen Kuss auf die Stirn gegeben hast. Nach mehreren vergeblichen Versuchen auf das Thema Zukunft wurden die Abstände zwischen den Fragen immer größer und auch ihre Häufigkeit nahm ab, bis ich es endgültig aufgab. Ich wünschte mir Sicherheit und du dir das Spontane, die Freiheit, alles und auch nichts tun zu können und dein Drang, alles von der Welt zu sehen.
Manchmal mochte ich es, dir bei deinen Träumen zuzuhören. Die unterschiedlichen Kulturen und Traditionen, die Menschen und ihr, in deinen Augen, ach so anderes Leben. Die andere Zeit hasste ich deine risikoreichen Visionen und dein Auftreten als einen, für mich, rastlosen und unzufriedenen Verrückten, der nirgends Halt machte, auch wenn es ihm gerade doch eigentlich gefiel. Versteh mich nicht falsch, ich liebe es zu Reisen, aber ich war nicht so akribisch ausgerichtet auf ganz viel Neues und wollte mir lieber mit dir etwas aufbauen.
An manchen Tagen kam der wiederkehrende Gedanke, dass du vor dir selbst wegläufst, und es machte mich unfassbar traurig, dass ich nicht in der Lage war, dir zu helfen und dein sicheres Zuhause zu sein. Du bist wie ein Passagier auf deiner lebenslangen Flucht vor dir- oder vielleicht auch vor mir. Ich weiß nur, dass die Zeit mit dir eine der besten auf meiner Reise ist und ich dir eine gute, sichere Weiterreise wünsche. (Wenn du willst, gerne mit mir in deinem Handgepäck.)
„Pia M. Raddei, bin 2006 geboren und studiere zurzeit Germanistische Sprachwissenschaften und Soziologie in Paderborn. Schreiben ist für mich eine Art Selbsttherapie und hilft mir Dinge zu reflektieren und besser zu verstehen.“
Über #kkl HIER
