wie ich im benthal wandelte

Siri Kusch für #kkl51 „Passagier“




wie ich im benthal wandelte

als ich auf dem grund
des meeres wandelte,
gaben mir lippfische ihr geleit.
sie waren des unterweltkönigs
bunt livrierte lakaien,
berittene truppen.

sie hießen mich ein see-
pferdchen besteigen und
führten mich durch dichte, dunkle
kelpwälder. kein licht durchdrang
die baumkronen der
braun-und rotalgen.

rasch pflückt‘ ich noch ein
sträußlein seeanemonen
für die königin, war ich geladen doch bei
hofe, gab gar der könig mir zu ehren ein
gastmahl. schon strudelten
wir abwärts in die tiefe,

mir schwindelte im sog
des schnellen rittes. fast
nahm ich nicht die feilenfische wahr,
die alle tore zur königsstadt bewachten
und mich mit mimikry
einschüchtern wollten.

den zugang zu dem
thronsaal sicherte ein
scharfer hochgucker, die teleskopisch
ausgefahrnen augen aufmerksam auf
jeden eindringling
von oben gerichtet.

drei-warzen-seeteufel,
so hässlich wie die nacht,
bugsierten mich zu seiner durchlaucht, ein
buckliger anglerfisch, der zur begrüßung
grimmig lächelnd seine
spitzen zähne zeigte.

sein szepter, eine angel,
glänzte gar prächtig im
schein der leuchtfische, die ihren strahl
im dämmerlicht des saales nur auf den
könig und die königin
zu werfen hatten.

ich schritt durch eine
phalanx von lanzenfischen,
die mir zur ehre ihre waffen kreuzten;
muscheln und armfüßer klappten applaus,
plattwürmer waren sprachlos,
clownfische kicherten.

so schwarz der könig
war, so hell war seine
gattin, ein grossschuppiger laternenfisch,
dezent geschmückt mit rosa perlen und
roten korallen
an den flossen.

die schlanken schnepfen-
aale, adlige hofdamen,
erröteten bei meinem anblick und zogen in
die löcher sich zurück. dort folgten sie dem
treiben sittsam aus
gesenkten augen.

der könig klatschte
in die flossen und
rief nach wein. eilfertig schossen silberpfeile
hin und her und reichten dienstbeflissen mir
den kühlen trunk in
vasenschwämmen.

zu essen gab es
fisch, doch angelt
seine durchlaucht längst nicht mehr selbst.
das macht der hof-fangzahn, dem schwarze
drachenfische fette
beute ins maul treiben.

dann hiess es
abschied nehmen.
der könig gab großzügig mir seinen seedrachen,
der straks zur oberfläche mich flog. Stielaugen-
fische glotzten: welch
fabelhafter ausflug,

fürwahr…




Siri Kusch, promovierte Kapitalmarktexpertin, analysiert nicht nur Bilanzen. In ihren Gedichten „seziert sie und legt offen, wo unter unserer dünnen Haut die malade Stelle zu finden ist. Ihre Zeilen durchweht eine hellsichtige Melancholie, oft auch ein feiner Spott … das Ganze in graziöser Schwebe gehalten wie Nebelschwaden über einer morgenfrischen Wiese …“ Sie studierte Moderne Lyrik, Kunst- und Musikgeschichte als Hobby und Grundlage für ihre schriftstellerische Arbeit und holt sich ihre Anregungen aus den Kulturen an ihren verschiedenen Lebensstationen.

Sie war Preisträgerin der Literaturwettbewerbe ‚PragMagisch‘ (Prag, 2011), ‚Der Duft des Doppelpunktes‘ (Wien, 2011) und Landschreiber (Münster, 2013 und 2015) und mehrfach Finalistin beim Literaturpreis des Bezirks Schwaben. Ihr Gedichtband ‚Glückliche Krümmung‘ erschien 2015 in der edition Rote Zahlen (ISBN 978-3-944643-51-9). Die Deutsche Blindenstudienanstalt veröffentlichte den Lyrikband in Punktschrift (Braille).

Veröffentlichungen:

  • Ein Harzer Frosch am Wasserregal, Geest-Verlag, 2022
  • Wundern, Fränkischer Kurzgeschichtenpreis, 2022
  • Zuflucht zum Meer, Anthologie Ulrich-Grasnick-Lyrikpreis 2021
  • Schaeff-Scheefenpreis Anthologie 2020/2021
  • experimenta, Literaturzeitschrift, Juli/August 2019
  • Sprache als Tarnung, Verlag Auf der Warft, Münster, 2016
  • Glückliche Krümmung, Verlag Rote Zahlen, Buxtehude, 2015
  • PragMagisch, p.machinery-Verlag, Murnau, 2013
  • Mit Sprache über Sprache, Verlag Auf der Warft, Münster, 2013
  • Farben, Literaturpreis des Bezirks Schwaben, Wißner-Verlag, Augsburg, 2013
  • Kaskaden Lyrikletter 22, 2012
  • Jai-Alai Ausgabe 9, Literaturzeitschrift, Miami, USA 2012
  • Zugewandert, Literaturpreis des Bezirks Schwaben, Wißner-Verlag, Augsburg, 2012
  • Kaskaden Online, Lyrikzeitschrift, 5/2012
  • Wir rufen auf! Edition Art Science, St. Wolfgang/Wien, 2011
  • PragMagisch, wort-kuss-Verlag, München, 2011







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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Potentialentfaltung und Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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