Kerstin Müller-Hörth für #kkl51 „Passagier“
Passagier
Das Leben lässt sich gut beschreiben, wenn ich es mir wie eine Zugfahrt vorstelle:
Alle Menschen fungieren in diesem Konstrukt als Passagiere und beginnen ihre Reise an unterschiedlichen Startbahnhöfen. Die Fahrgäste lassen sich grob in drei Kategorien einteilen:
Die erste Gruppe steht bereits einige Minuten vor der geplanten Abfahrt auf dem korrekten Gleisabschnitt bereit und kann entspannt der Einfahrt des Schienenverkehrs entgegenblicken. Die zweite Truppe erwischt voller Hast und Hetze die Bahn in den letzten Sekunden, bevor sich der Türmechanismus schließt. Die dritte und letzte Schar an Reisenden erscheint erst nach Abfahrt der Eisenbahn bzw. bleibt dem Bahnhof gänzlich fern.
Starten manche Mitfahrende ihre Reise mit leichtem Gepäck, haben wiederum andere Ausflügler bereits ein großes Paket auf ihren Schultern zu stemmen. Ein funktionsfähiger Aufzug, welcher einem den beschwerlichen Weg zum Bahngleis ebnet, ist an dieser Stelle ein Segen.
Eine Reservierung für die Plätze in der ersten Klasse können aufgrund der begrenzten Anzahl nur wenige Reisegäste vorab ergattern. Ein Großteil der Personen muss sich mit den freien Sitzen der zweiten Preiskategorie zufriedengeben, welche noch vorhanden sind. Manch einer wird die Reise gar stehend verbringen.
Bereits an der ersten Haltestelle steigen nicht nur neue Zuggäste hinzu, sondern die ersten verabschieden sich bereits, weil ihre Fahrt schon endet. Sitzplätze werden frei, um im gleichen Moment wieder mit neuen Menschen besetzt zu werden. Es ist ein stetiges Kommen und Gehen –genauso wie im wahren Leben.
Kaum, dass die Bahn zum Stehen kommt, setzt sie sich auch schon wieder in Bewegung. Viel Zeit bleibt zwischen den Stationen nicht und auch hier gilt „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Im Fall des verpassten Zuges muss sich der oder die Reisende in Geduld üben und die sich ihm bzw. ihr nächstbietende Chance nutzen.
Gehört man zu den Personen, welche bis zur Endstation sitzen bleiben dürfen, bieten sich einige Chancen. Neue Kontakte knüpfen, anschauliche Naturpanoramen aus den weitläufigen Zugfenstern erhaschen oder die Zeit für sich in Form eines Nickerchens oder dem Verschlingen eines spannenden Buches genießen. Wie man als Reisegast seine Zugfahrt gestaltet, bleibt jedem selbst überlassen aber am Ende des Tages wollen alle Passagiere das gleiche: An ihrem geplanten Ziel ankommen.
Kerstin Müller-Hörth ist am 12.07.1993 in Euskirchen geboren und in Bad Münstereifel aufgewachsen und wohnhaft.
Die Verwaltungsfachangestellte lebt zusammen mit ihrem Mann und ihren Schwiegereltern in einem 1.000-Seelen-Dorf.
Auf die Autorenwelt und die damit verbundenen Aufrufe ist sie durch einen Schreibwerkstatt-Kurs vergangenen Jahres aufmerksam geworden.
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