Während der große…

Nikolina Susic für #kkl52 „Essenz“




Essenz

Während der große Dostojewski sagen würde, dass das Wesen eigentlich der Kampf des Menschen zwischen Gut und Böse in seiner Seele sei, würde Sartre argumentieren, dass wir als Menschen kein festes Wesen haben, sondern dass wir es uns aneignen – dass wir frei sind, es durch unsere Entscheidungen selbst zu erschaffen.

Ich als junge Frau des 21. Jahrhunderts würde in diesem Fall Sartre zustimmen.

Während viele Essenz mit dem Konzept von Charakter oder Seele verwechseln, glaube ich, dass es mehr ist. Essenz ist eine Art Energie, die wir mit uns tragen – unsichtbar, aber vorhanden.

Die Wissenschaft behauptet, dass jeder Mensch einen einzigartigen Hautgeruch, einen Fingerabdruck hat – etwas, das ihn einzigartig macht. Ich glaube, mit der Essenz ist es dasselbe. Keine zwei Menschen sind gleich, keine zwei Seelen sind gleich, keine zwei Tage sind gleich.

Wir haben vielleicht Doppelgänger – physische Kopien – aber unser Wesen ist nie dasselbe. Jeder Mittwoch ist ein Mittwoch, aber keiner ist wie der letzte. Dieselben Stunden, dieselben Minuten – aber unterschiedliche Schattierungen des Lebens.

Wir können das Wesen der Seele erkennen, wenn wir ihr aufmerksam zuhören. So wie die Essenz eines Parfüms süß, bitter, stark oder rau sein kann, so trägt auch unsere Seele ihren eigenen, spezifischen Duft in sich.

Letzten Endes erkennen wir uns im Wesentlichen wieder. Dadurch wissen wir, wer unsere Leute sind – Freunde, Partner. Weil wir sie auswählen. Wir suchen uns die Familie nicht aus, aber wir akzeptieren sie. Gerade die Familie ist der Ort, an dem wir lernen, die unterschiedlichen Wesenszüge anderer Menschen zu erkennen und zu respektieren.

Es gibt keinen Menschen ohne Wesen, denn es ist sein Wesen – das, was er wirklich ist. Das ist es, was in ihm unveränderlich ist: das Bedürfnis nach Wahrheit, Moral und Selbsterkenntnis. Die Bandbreite der Gefühle, die er in sich trägt, ist ein Geschenk, das ihm gegeben wurde.

Nicht jeder Mensch mag das Gleiche. Nicht jeder Mensch trauert auf die gleiche Weise. Aber jeder Mann liebt. Und jeder Mensch trägt eine Essenz in sich.

Was aber, wenn ein Mensch nicht weiß, wer er ist oder wonach er strebt?

Ist es dann vollständig?

Hat es überhaupt eine Essenz?

Vielleicht besteht sein Wesen genau darin – Suchen. Vielleicht ist es diese endlose Frage ohne endgültige Antwort.

Denn um ein wahrer Mensch zu sein, muss der Mensch akzeptieren, dass er nicht auf alle existenziellen Fragen eine Antwort hat.

Er muss sich auf sein Wesen, die ständige Suche, einlassen – auf etwas zugehen, das er vielleicht nie ganz verstehen wird.

Wir müssen bereit sein, unsere eigene Unwissenheit und Verlorenheit zu akzeptieren, die schön sein kann. Wir sollten keine Angst haben zu lieben, Fehler zu machen, zu fallen und wieder aufzustehen, während wir versuchen zu verstehen, was uns zu dem macht, was wir sind.

Wir sind die Schönheit der Kontraste. Wir sind eine Kombination aus süß und bitter, heiß und kalt, hell und dunkel.

Der Mensch ist die Essenz der Widersprüche, verpackt in einen Anzug.

Und genau in diesem Widerspruch findet er seine Wahrheit.





Mein Name ist Nikolina Susic. Ich wurde am 20. November 2002 in Belgrad ( Serbien) geboren, der Stadt, in der ich gelernt habe, der Stille zuzuhören und die Welt um mich herum zu spüren. Seit 2019 lebe ich in Deutschland, in Hannover – zwischen der Sprache, in der ich geboren wurde und der Sprache, in der ich jetzt aufwachse.

Ich begann zu schreiben, weil ich das festhalten wollte, was nicht fotografiert werden kann – flüchtige Gedanken, zerbrechliche Emotionen, die Welt in ihrer subtilsten Form. Für mich ist Literatur mehr als nur ein Ausdrucksmittel – sie ist eine Möglichkeit, mir selbst treu zu bleiben, auch wenn ich mich verändere. Ich schreibe, um zu verstehen, aber auch, um verstanden zu werden. Für mich ist das Schreiben eine Brücke zwischen zwei Ländern, zwei Sprachen, zwei Identitäten – und einem Ort, an dem ich vollkommen bin.

Meine Motive sind oft stille Orte im Leben eines Menschen: Kindheit, Erwachsenwerden, Nostalgie, Freundschaft, innere Stimme. Ich glaube an die Macht eines einfachen Wortes, an die Macht der Ehrlichkeit und daran, dass in jedem von uns eine kleine Geschichte steckt, die für die Ewigkeit wertvoll ist – wenn man sich ihr nur vorsichtig genug nähert.







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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Potentialentfaltung und Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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