Frank Joussen für #kkl54 „denkbar“
Ein Jemand zu sein
Ich erwachte heute Morgen mit dem bestimmten Gedanken, Jemand sein zu müssen. Allerdings ohne eine Ahnung zu haben, wer dieser Jemand sein könnte.
Trotzdem stand ich auf, wusch diesen Körper und rasierte dieses Gesicht. Ich dachte mir, dass dieser Jemand, dieses neue Ich, das gutheißen würde. Dann zog ich Kleidung an und frühstückte. Obwohl ich diesmal keinen Schimmer hatte, ob die Art der Ausführung dieser Aktivitäten in Jemandes Sinne war. Wie wollte er gekleidet sein? – Welche Erwartungen stellte er ans Frühstück, überhaupt ans Essen, an die verschiedenen Mahlzeiten?
Bevor ich das Haus verließ, machte ich mir einige Gedanken darüber, welcher Arbeit dieser Jemand wohl nachgehen wollte. Ich wusste es noch nicht. Mir war aber klar, dass ich es auf dem Weg von diesem Dorf bis in die nächste oder übernächste Stadt würde herausfinden müssen.
Generell musste ich über dieses neue Ich noch viel intensiver nachdenken. Möglichst bevor ich nach Hause finden und nach einem „Du“ suchen konnte.
Frank Joussen ist ehemaliger deutscher Lehrer. Nebenbei betätigt er sich als Schriftsteller und Herausgeber. Seine Buchpublikationen umfassen drei Gedichtbände, die Mitherausgabe von zwei Anthologien mit Gedichten und Kurzgeschichten in Indien sowie die Mitherausgabe einer deutschsprachigen Anthologie mit internationalen Familiengeschichten. Sein letztes Buch erschien 2024 mit dem Titel „Das verschwindende Land/The Disappearing Countryside“; es enthält Gedichte und Prosatexte zur Bedrohung der Umwelt und Heimat durch den Braunkohletagebau Garzweiler II.
Seine Gedichte, Rezensionen und Kurzgeschichten wurden in einer Vielzahl von Literaturmagazinen und Anthologien in Australien, Großbritannien, Irland, Rumänien, Malta, den U.S.A., Kanada, Indien, China, Thailand, Deutschland Österreich und Japan veröffentlicht.
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