Tandaradei

Evelyne Anciaux für #kkl55 „Freigeist“




Tandaradei

Du wunderbewirkende Nachtigall! lasse Dein Tandaradei
Mich mit geschwungenen Liedern besingen!
Entschwebe mir nicht – herbei!

‚Ach, Du willst meinen Geist bezwingen? Lass die Eulenspiegelei.
Schönheit trage ich doch innen – spalte mich bloß nicht entzwei!‘

Wie liebevoll klinget Dein klagendes Lied! Du musst mich wahrhaftig sehr lieben.
Und tust Du dies nicht, so will ich es wohl
Mit zärtlichen Händen erzwingen.

‚Ach, weh! Ihr ungereimten Triebe! Bleibt vor allen groben Dingen,
Tiefbeseelten Sinneshieben, nur erschöpftes Händeringen.‘

Du lieb widerstrebendes weiches Geschöpf, nun halte schön still Deine Kehle.
Sei fügsam, dann ist es im Fluge vorbei.
So koste ich denn Deine Seele.




Wunderbar

Ich bin nicht das, was alle Dichter flöten:
Wunderflämmchen, welches nie erlischt.
Ich bin die Krone auf dem sonderbaren Frosch,
Der seine eignen Worte nicht begreift
Und (da Selbstausdruck bedingt vonnöten)
Regelmäßig auf die ganze Froschheit pfeift.




Falsche Welt

Ich gehöre nicht in diese Welt,
Wo Silberfische auf dem Boden kriechen
Und junge Frauen einen Umlaut tragen;
Wo Irrtum sich zur nackten Wahrheit schleichen
Und Träume aus dem off’nen Fenster fliegen,
Bis ein tapf’res Herz dagegen hält,
Sie auffängt, bebend, und zerschellt.




Das Sein

Es saß auf einem alten Stein
Mal menschliche Ruine
Mit angestrengter Miene
Und begrübelte das Sein.

Wie kann es etwas geben,
So sprach der Mensch bedrückt,
Wo jede Existenz
So ohne Konsequenz
Und trotz vielfachem Bestreben
Allenfalls missglückt?

Dem Sein nun, unterdessen
(Da chaotischer Natur)
Ein wirres Wort entfuhr:
Mein kann man gar nicht messen
An festgehalt’ner Ehre!
Liegt doch meine Schwere
In ihrer Leichtigkeit.

Der Mensch, obgleich nicht ungescheit,
Mit allergrößter Schwierigkeit
Dieses überdachte,
Worauf er zögernd lachte.
Das Lachen doch demnächst entschwand:
Was wenn er gar sich selbst erfand
Und nur das Sein, doch sonst nichts war,
Wie stünde dann die Menschheit da!

Das Sein geschmeichelt schwieg.
Da sprach der alte Stein:
Es gibt den Kerl – er wiegt!




Evelyne Anciaux, geboren 07.01.2002, ist gebürtige Belgierin und studiert in Bonn Germanistik. Das Schreiben ist ihr ins Blut geflossen und sucht sich nun in Dichtform über Veranstaltungen wie Anthologien und die Bonner LitArena seinen Weg in die Welt.






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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Potentialentfaltung und Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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