Christian Schwetz für #kkl55 „Freigeist“
Die Hunde der Maria L.
Die Latrix Maria wäre immer gern Malerin geworden, aber weil sie eine Nachgeborene war, also leider eine paar Handvoll und zwei Finger Jahre nach der Lassnig Maria geboren, hat sie nicht Malerin werden können. Weil es gibt Leute, für die ist Latrix was ganz anderes als Lassnig, und die denken bei Latrix vielleicht an Matrix und den Cyberspace, oder an Latex und Leder, aber die Maria war sich sicher, dass alle an die Lassnig denken würden, wenn da eine andere Maria La… malen würde.
Der Franz, der von früher Jugend an ein guter Freund von der Latrix Maria war und einer der wenigen, der von ihrem Wunsch, zu malen und dem Grund, warum sie doch nicht gemalt hat, all die Jahre, gewusst hat, hat zwar versucht, ihr die Fixierung auf die Lassnig auszureden, aber er hat nie Erfolg gehabt.
Und ich husche jetzt darüber hinweg, wie der Franz die Maria beim ersten, zweiten und dritten Liebeskummer getröstet hat und wie die Maria den Franz getröstet hat, weil das war zwar fein für die beiden, dass sie einander als Trost und Rat hatten, ein Trost und Rat, an den man sich auch mal ankuscheln kann, was die meisten ja vom Dr. Kurt Ostbanhn nicht bekommen haben, obwohl der auch großzügig Trost und Rat verteilt hat, bevor er die Treppe runtergefallen ist und eingegraben wurde.
Und ich will auch nicht ausgraben, dass die Maria und der Franz dann doch zwei Jahre nicht miteinander gesprochen haben, als sie beim einander darin bestätigen, was für Schweine doch die Männer im allgemeinen und manche Männer im besonderen seien, drauf gekommen sind, dass sie diesmal in den gleichen Macho-Ego-Volltrottel verliebt waren.
Aber dann hat der Franz von bemalten Hyänen geträumt. Die Hyänen waren mit Punkten und Stichen bemalt, wie vom Haring Keith, aber der Franz hat gewusst, dass nicht der Keith diese Punkte und Striche auf die Hyänen gemalt hat, sondern die Maria. Und nicht, weil der Haring Keith schon lange tot war, weil das Tot sein hindert einem ja selten, im Traum eines anderen die eine oder andere große oder kleine Tat oder Untat zu begehen, sondern, weil das einfach die Striche und Punkte der Latrix Maria waren.
Ein Psychoanalytiker oder ein Computerprogrammierer hätten da vielleicht gesagt „Halt! Den Film bitte anhalten und zurückspulen. Die Latrix Maria hat doch nie gemalt, weil sie nicht als Nachäffin der Lassnig Maria gelten wollte! Wie kann der Franz dann also wissen, ob das ihre Punkte und Striche sind?“
Aber der Franz war zum Glück weder Psychoanalytiker noch Computerprogrammierer, sondern hat widerwillig die Spedition seines Vaters übernommen, als der Frau und Franz über Nacht verlassen hat, um mit einer gewissen gewissenlosen Finnin namens Karin durchzubrennen. Und der Franz hat keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken, ob Karin ein häufiger Name in Finnland ist, weil seine Mutter hat erst zu weinen aufgehört, als er sich bereit erklärt hat, die vier Lastwägen und die drei Fahrer seines Vaters zu übernehmen, und die ganze Spedition.
Und es gibt zu wenig statistische Erhebungen, um jetzt sicher sagen zu können, dass LKW-Fahrer und Spediteure mehr dafür prädestiniert sind, bemalte Hyänen im Traum Künstlerinnen, von denen sie noch kein einziges Werk gesehen haben, zuzuordnen, als sagen wir mal Konditoren oder Steuerberater.
Der Franz hat jedenfalls gewusst, die Hyänen in seinem Traum kann nur die Latrix Maria bemalt haben. Und er hat nach der Maria gegoogelt, und dann hat er sich in einen seiner LKWs gesetzt, und ist zu ihr hingefahren.
Der Franz hat geklingelt und die Maria hat aufgemacht.
Hallo du, hat der Franz gesagt, und die Maria, die den Franz ja seit zwei Jahren nicht gesehen hat, hat nicht Hallo gesagt, und nicht Servus, sondern hat nur gefragt, ob der Franz einen Kaffee will.
Der Franz wollte schon zu jeder Tages- und Nachtzeit Kaffee, als er noch Judaistik studiert hat und noch nicht Spediteur und Lastwagenfahrer war. Aber er hat auch als Spediteur und Lastwagenfahrer noch gern Kaffee getrunken und ja gesagt. Und beim Kaffee hat der Franz der Maria von seinem Traum erzählt.
Die Maria hat es zwar cool gefunden, Hyänen zu bemalen, aber doch mühsam. Grundsätzlich hat ihr die Idee aber gefallen, weil das war weit genug von der Lassnig Maria weg, dass ihr niemand vorwerfen könnte, es der Lassnig nachzumachen.
Aber Hyänen eben doch sehr mühsam, wie der Brenner sagen würde, wenn du ihn kennst. Und frage nicht, wer Brenner und so. Brenner ist nicht Thema, sondern die Maria. Latrix wohlgemerkt, nicht Lassnig. Und der Franz auch bissl Thema, oder sagen wir: Nebenstrang.
Und dann hat vor dem Haus ein Hund gebellt, und die Maria hat gestrahlt und der Franz hat gestrahlt, und die Maria hat den Franz angeschaut, und der Franz die Maria, und ihre beiden strahlenden Strahlen sind durch die Luft gewirbelt und haben sich ineinander verzwirbelt und BAMMM.
Und das wars dann.
Der Franz hat die LKWs verkauft und hat ein paar Hunde gekauft und ein Buch über Hundezucht. Obwohl das meiste über Hundezucht hat er sich sowieso im Internet angeeignet. Und die Maria hat den Job, über den sie nie spricht, gekündigt, und sich einen Hunderasierer und ein paar Pinsel und Spraydosen gekauft.
Und dass der erste Hund, den Maria geschoren und bemalt und dann um ziemlich viel Geld für ein Erstlingswerk verkauft hat, Arnulf geheißen hat, das haben sie niemand erzählt. Weil sonst wären doch noch Assoziationen zur Lassnig Maria aufgekommen.
Christian Schwetz, geb. 30.12.1962, lebt und arbeitet in Wien.
Seit den 1980er Jahren ist er literarisch aktiv. Als Fazit seiner Diplomarbeit „Die wirtschaftliche Lage der Schriftsteller in Österreich“ beschloss er, das Schreiben nicht zum Hauptberuf zu machen und wurde Steuerberater.
Er ist Gründungs- und Vorstandsmitglied von „DAS SPRECH-Initiative für Sprach-, Sprech- und Hörkunst“.
Mit der Band „Novi Sad“ besteht seit den 1990er-Jahren eine künstlerische Zusammenarbeit.
Veröffentlichungen
2010 „Zwischen Brot und Spiel“; Kurzgeschichten; Testudoverlag
2011: „Traanbecks Ausnahmezustand“; Roman; Arovell-Verlag
2014: „Mails & Love“; Roman; Arovell-Verlag
2016: „Am Anfang war das A“; Textsammlung; Edition Libica
2021: „Wunderschönes Tier“; Textsammlung; Edition Libica
sowie in diversen Anthologien und Zeitschriften.
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