Luna Day für #kkl56 „Und dann kam…“
Trauben und was noch?
Die Sonne ging über meinen Feldern auf. Weil es in der Nacht zuvor geregnet hatte, waren noch Tropfen auf den Blättern, was dem Ganzen ein Glitzern verlieh und fast magisch wirkte. Als Kind hatte ich mir vorgestellt, dass in diesem Moment Elfen unterwegs waren. Mein Opa hatte immer darüber gelacht, er hatte mich einfach in dem Glauben gelassen. Im Gegensatz zu meiner Mutter. Sie erklärte mir das Naturwunder.
Wie jeden Morgen stand ich auf der Terrasse und blickte über mein Grundstück. Tief atmete ich die Morgenluft ein. Bald begann meine Arbeit und würde diesen zauberhaften und ruhigen Moment zerstören. Ich nahm den letzten Schluck Kaffee aus meiner Tasse. Am Rand des Feldes sah ich schon das Auto auf die Farm zukommen. Seufzend drehte ich mich um.
»Viel zu früh«, sagte ich leise und ging hinein. Die Tasse kam in die Spülmaschine, anschließend zog ich mir meine Schuhe an. Gerade als ich die Tür öffnete, hielt das Auto an und Elisabeth stieg aus.
»Morgen, Chefin«, rief sie mir zu.
Ich verdrehte die Augen. Im Grunde hatte sie ja Recht, aber wir kannten uns schon so lang, dass es für mich eher eine Freundschaft war als ein Arbeitsverhältnis. »Moin, Liz.« Wir beide gingen in die Scheune und nahmen unsere Körbe. Heute war die Ernte der Trauben vorgesehen.
»Was machst du dieses Mal daraus?«, fragte sie mich.
»Wein, Marmelade und das eine Rezept für Richard, ach ja und den Saft wieder, der kam letztes Jahr gut an.«
Sie nickte.
Schon seit neun Generationen war die Farm ein Familienbetrieb. Manche Jahre größer, andere wieder weniger. Je nachdem wie viel die Ernte eingebracht hatte. Aber erst mein Urgroßvater kam darauf, nicht nur das Obst allein zu verkaufen, sondern daraus etwas herzustellen. Dadurch wurde der Betrieb sogar größer als bei meinem Vorfahren.
Immer mehr Arbeiter gesellten sich zu uns und pflückten die Trauben von den Reben.
Am Nachmittag sah ich zu den Bienen. Ich war keine Expertin für diese Insekten, aber so einiges hatte ich von dem Imker erklärt bekommen. Dieser kam einmal in der Woche, um nachzusehen, ob alles mit den Tieren in Ordnung ist. Wir nahmen ihnen nicht den Honig, obwohl dies für uns ein weiteres Einkommen wäre, aber ich hatte mich dagegen entschieden. Mir ging es einzig und allein darum, meine Blüten bestäuben zu lassen. Was sich als eine gute Idee herausgestellt hatte, nach dem Einzug der Wildbienen hatten wir weitaus mehr Früchte, als im Jahr zuvor.
Gerade zu Feierabend kam ich wieder am Haus an. Meine Arbeiten wünschten mir einen schönen Abend oder winkten nur. Liz stand in der Küche und wog die Trauben gerade ab, als ich hereinkam.
»Und?«
»Hundertzwanzig Kilogram und wir sind bei der Hälfte.«
»Wow, das ist ja mal ordentlich etwas.«
»Oh ja, das wird ein gutes Jahr.«
Ich nahm das Rezeptbuch heraus. »Okay, dann würd ich sagen, neunzig zu Jim für die Weine und den Rest verarbeite ich.«
Sie nickte. Wir brachten die Körbe mit den Trauben in die Scheune neben Jims Tisch. Dieser war der Winzer in meinem Betrieb. Liz verabschiedete sich und ich schloss die Scheune ab. Schnell fuhr ich mit dem Motorrad durch die Flure des Feldes, um nach dem Rechten zu sehen. Anschließend schaltete ich die Sprinkleranlage an.
Gerade als ich wieder ins Haus wollte, kam ein fremdes Auto auf den Hof gefahren. Ein Mann im Anzug und Sonnenbrille stieg aus. »Sind sie Frau Winter?«
»Ja.«
Er begann zu lächeln. »Ich bin Mathias Klein, ich komme im Auftrag von …«
»Stopp«, unterbrach ich ihn, »Mir egal, von wem oder was Sie kommen, weder verkaufe ich, noch will ich expandieren.« Ich wandte mich ab. »Auf Wiedersehen, Herr Klein.«
»Aber Sie wissen doch gar nicht, was ich Ihnen anbiete.«
Ich verdrehte die Augen. »Muss ich nicht wissen, weil alles das Gleiche ist. Ich bin froh darüber, wie es ist. Ich will nicht, dass sich etwas verändert. Meine Rechnungen und Arbeiter kann ich zahlen, ich habe genug zum Leben. Daher ist das mir vollkommen egal, was Sie mir anbieten wollen.«
»Mehr ist doch immer besser oder nicht?«
Augenverdrehend wandte ich mich an ihn. »Mehr heißt mehr Arbeit, mehr Arbeiter und summa summarum für den gleichen Lohn. Danke, aber nein danke. Wie gesagt ich bin zufrieden, wie es ist, und jetzt verlassen Sie bitte mein Grundstück.«
»Aber …«
»Nein!«
Er seufzte. »Sie machen einen Fehler«, sagte er und stieg ein.
»Mir egal.« Doch das hörte er nicht mehr, da er den Motor gestartet hatte und rückwärts fuhr.
Ich atmete tief durch. Jedes Jahr kamen solche Menschen und beim ersten Mal war ich fast davor zuzustimmen. Doch als ich mir alles durchlas und durchgegangen war, was ich alles hätte ändern müssen, wäre ich unterm Strich auf das gleiche Geld gekommen, nur mit sehr viel mehr Stress und darauf konnte ich verzichten.
Bis weit nach Mitternacht hatte ich die Trauben für die Marmelade vorbereitet. Irgendwann wurden meine Augenlider schwer und bin ins Bett gegangen. Es war mir egal, das Chaos herrschte in der Küche, ich wollte nur schlafen.
Am Morgen machte ich mir nur einen Kaffee und stellte mich auf die Terrasse.
»Moin, Chefin«, hörte ich hinter mir.
»Guten Morgen, Liz.«
Sie lehnte sich an das Geländer neben mich. »Untern im Dorf war ein Fremder bei Luigi.«
»Oh lass mich raten: er heißt Mathias Klein und wirkt wie ein schmieriger Vertreter.«
Lachend nickte sie. »Aber das Konzept klingt gut, wirklich.«
Ich runzelte die Stirn. »Ach ja?«
»Ja. Es ist nicht, dass sie eine große Abnahme machen wollen, sondern unseren Wein als kleine großartige Auslese nur an edle Restaurants anbieten.« Sie hob die Hand. »Schau, ja du kommst gut klar und ich weiß, dass es seit Jahren mehr Gewinn macht, aber ohne Aufwand mehr Geld zu bekommen ist doch nicht schlecht.«
Ich schüttelte den Kopf. »Liz, ich will nichts verändern. Uns geht es gut, wie es ist.« Mein Blick ging über das Feld vor mir. »Es fühlt sich einfach nicht richtig an.«
»Lern ihn doch erst mal kennen.«
»Was ändert es?«
»Vielleicht ist dein Bauchgefühl einfach nur vorbelastet.«
Ich lachte auf. »Nein.« Ich wandte mich wieder an sie. »Ja ich will von den Firmen nichts wissen, aber ich habe mich bis jetzt nie in den Menschen dahinter getäuscht.«
»Hast du gewusst, dass er Botanik gelernt hat?«
Ich lachte auf. »Dir gefällt er.«
Was sie zum Grinsen brachte.
»Weißt du, Liz, das hier ist einfach mehr für mich. Ich will es mir nicht zerstören lassen, weil irgendeine Firma meint, ich müsse meine Gewerbe in die Welt tragen oder vergrößern. Wir sind nicht nur Trauben, sondern wir stehen für das beste Obst in dieser Gegend.«
Lächelnd stimmte sie zu. »Ich steh hinter dir, egal, wie du entscheidest und wie niedlich er war.«
Nun musste ich lachen.
Luna Day wurde 1982 in Wertingen geboren und wuchs in Augsburg auf, wo sie immer noch mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern lebt. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie durch Harry Potter und Roll-Play-Games-Fanfiction in Foren. Sie verfasst Kindergeschichten, aber auch Fantasy- und Liebesgeschichten. Trotz ihrer Lese-Rechtschreib-Schwäche hat sie bereits einige Geschichten in Anthologien unterbringen können. Ihre erste Novelle erschien im März 2021.Ausschreibungen.
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